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Joseph Lanner â Leben und Werk
auch âGaloppadeâ â Orthographie war nicht die StĂ€rke dieser Zeit, die Schreibweise schwankt bisweilen
innerhalb eines einzigen Zeitungsartikels) entwickelte sich âGaloppâ. Bemerkenswert ist, dass zu Lanners
Zeit immer das Mehrzahlwort âGaloppeâ verwendet wird, Ă€hnlich wie beim Walzer handelt es sich um
eine Aneinanderreihung mehrerer Teile.
Galoppartige Teile können somit im Schlussteil einer Walzer- oder LÀndlerpartie stehen, wobei diese
Form sogar im Titel erwĂ€hnt werden kann. 1828 schrieb Lanner seinen âEröffnungs-Walzer mit der wilden
Jagdcodaâ op. 24, ein Zitat nach âWas glĂ€nzt dort vom Walde (LĂŒtzows Wilde Jagd)â auf ein Thema von
Weber. Der âDampf-Walzerâ op. 94 (aus 1835) schlieĂt mit dem âDampf-Galoppâ, der âRosen-Cotillonâ
op. 86 mit einem âRosen-Galoppâ. Einen Galopp im Schlussteil eines LĂ€ndlers finden wir erstmals im
op. 20 â28er LĂ€ndlerâ. SpĂ€ter ging Lanner von dieser Praxis ab, da er mehr die einheitliche Gestaltung der
Finalpartie vor Augen hatte.
Lanner schrieb eine Vielzahl an Galoppen, seine frĂŒhesten datieren aus 1827â1829 (âDie Kavallerie zu FuĂeâ
op. 14, âLager-Galoppeâ op. 17, âOsagen-Galoppâ op. 18 usw.) Opernmelodien verwendete Lanner fĂŒr die
âFavorit-Galoppeâ op. 61 Nr. 1 (Motive aus âZampaâ), âGaloppe nach den beliebten Melodien aus Bellinis
Oper Beatrice di Tendaâ op. 108, fĂŒr die âNorma-Galoppeâ op. 75 Nr. 2 und andere. Ăber die Entstehung
des op. 97, âPanorama der beliebtesten Galoppen Nr. 1â berichtet Der Wanderer am 27. 5. 1835: âHr. Ka-
pellmeister Joseph Lanner hat ein Werk begonnen ⊠Diese Composition trĂ€gt den Titel âGaloppen-Pano-
ramaâ ⊠bereits hat Hr. Lanner den EnglĂ€nder, Spanier, Italiener und Ungarn vollendet, die jeder einzeln
trefflich das Nationelle markiren und in der Instrumentirung alle jene Frischheit und Kraft entwickeln, die
Lanners Compositionen von jeher an sich hatten.â163 Lanners Aufenthalt in Pesth im Januar 1835 dĂŒrfte mit
ein AnstoĂ zu dieser Komposition gewesen sein. Die âChampagner-Knall-Galoppeâ op. 114 Nr. 3, fĂŒr die
ChampagnerbĂ€lle des Jahres 1837 im Sperl geschrieben, lassen die Champagnerkorken knallen, die âTado-
lini-Galoppeâ erinnern an die erstmals 1835 am KĂ€rntnerthortheater aufgetretene SĂ€ngerin, die âGitana-
Galoppeâ op. 142 Nr. 2 an die in Wien ungemeint beliebte TĂ€nzerin Taglioni â âLa Gitanaâ war ein Ballett,
in dem die Taglioni brillierte. Etliche Galoppe wurden zwar in Sammelausgaben gedruckt (siehe Werkver-
zeichnis, z. B. âSammlung der beliebtesten Galoppeâ usf., in diesen Heften wurden Galoppe verschiedenster
Komponisten zusammengefasst), erhielten aber keine Opusnummern (z. B. âDamen-Galoppeâ, âWinter-
Galoppeâ, âCarriĂšre-Galoppeâ usf., jeweils in âNeueste Sammlung der beliebtesten Galoppe fĂŒr das Piano-
forteâ). Stimmenabschriften liegen z. T. vor, die Quellenlage ist allerdings bei etlichen Werken schwierig. So
berichtet die Theaterzeitung am 25. 10. 1836 von der AuffĂŒhrung eines âSturm-Galoppsâ am 23. 10. 1836 im
Sperl, welcher allerdings nicht von Lanner stammte, sondern von Ferdinand Taigner.
Formal sind Galoppe in der Regel dreiteilig (Galopp-Trio-Galopp da capo, dieses da capo kann auch
als Finale bezeichnet werden, wenn es ausgeschrieben wird), mit einem kurzen (meist viertaktigen) Ein-
gang, es können sich aber auch abweichende Formen finden. âSchnellsegler-Galoppeâ reiht insgesamt
4Â Galoppe aneinander, op. 56, âElisens und Katinkensâ Vereinigung drĂŒckt diese Vereinigung durch die
Kombination eines Galopps und eines Regdowaks aus. Der âSirenen-Galoppâ op. 58 Nr. 2 zeigt Lanners
poetische Ader: an den rasenden Schlussteil fĂŒgt Lanner ein Andante an, das mit âSirenenklĂ€ngenâ das
Werk verklingen lĂ€sst. Galoppe eignen sich fĂŒr scherzartige Titelgebung, aber auch fĂŒr eben solche Ge-
staltung: im âMalapou-Galoppâ op. 148a verwendet Lanner nicht nur etliche ungewöhnliche Schlagzeug-
instrumente (u. a. eine âSchlagkugelâ, was immer damit gemeint sein soll), sondern lĂ€sst das Orchester
einen Refrain anstimmen, der aus der Aneinanderreihung von Silben besteht â offensichtlich Lanners
phonetische Ăbertragung eines indischen Tempelgesangs.
Zeitgenössische Berichte legen fĂŒr die Galoppe bereits ein sehr rasches Tempo nahe, die nachfolgende
Generation steigerte es in den Polkas schnell noch weiter. Die Galoppe Lanners aber bereits in diesem
extremen Tempo zu nehmen, dĂŒrfte verfehlt sein. Ein Blick in die Partitur des âNeujahrs-Galoppsâ macht
nachdenklich, wenn man gewisse HolzblĂ€serpassagen liest, die sich in einem ĂŒberzogenen Tempo nicht
163 Der Wanderer 27. 5. 1835.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Joseph Lanner
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Size
- 21.0 x 29.5 cm
- Pages
- 752
- Keywords
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, TĂ€nze
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂŒrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn â Werden â Sein 21
- VorlĂ€ufer â MitlĂ€ufer â Nachfolger 23
- Tanz 28
- BĂ€lle â TanzstĂ€tten â AuffĂŒhrungsorte 32
- Solisten â Ensemble â Kapelle â Orchester 39
- Akademie â AssemblĂ©e â Conversation â Piquenique â RĂ©union 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- WidmungstrÀger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen â Bibliotheken â Sammlungen 101
- FunktionalitĂ€t â Autonomie â Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik â Biedermeier 108
- Strahlender Stern â leuchtender Stern 112
- Rezension â Rezeption 113
- FlĂŒchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang