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Joseph Lanner – Leben und Werk
leerten Introduktionen trifft zumindest in einigen Werken auch Lanner. Wo keine Autographe und kein
Stimmenmaterial vorliegen, lässt sich überhaupt nicht sagen, ob Lanner eine Introduktion geschrieben
hatte oder ob diese von findigen Bearbeitern erst hinzugefĂĽgt wurde.
Die ersten gedruckten Ländler verzichten auf Introduktionen. Bemerkenswert, dass Lanner für sein opus 1
als Titel nicht nur „Neue Wiener Ländler“ wählte, sondern ausdrücklich „mit Coda“ hinzufügte. Vergleiche
mit anderen um diese Zeit veröffentlichten Tänzen weisen eine solche Bezeichnung als absolut üblich aus.
Erstmals schrieb Lanner eine Introduktion in op. 4, sie umfasst lediglich 16 Takte (jeweils Kadenzen á
4 Takte). Die weiteren Tänze bis op. 11 kommen ohne Introduktion aus.
Einen deutlichen Qualitätssprung bietet „Terpsichore“ op. 12: bedingt durch den Untertitel „Im Reich
des Pluto“ schildert Lanner zunächst dramatisch diese „Unterwelt“, die Einleitung steht in c-Moll,
an Dynamik finden wir Steigerungen bis forte und fortissimo. Ein verminderter Septakkord und die
darauf folgende Kadenz markieren einen theatralischen Höhepunkt, nach dem – völlig unbeeindruckt
von den Schrecken der vorangegangenen Takte – das erste Walzerthema in C-Dur, leise wiegend ein-
setzt. Diese Einleitung bleibt unter den Frühwerken singulär, noch immer ist die Introduktion nicht
Standard.
Eine reizende Introduktion entwarf Lanner für die „Zauberhorn-Ländler“ op. 31: In Anklängen an die
in Wien besonders populäre Oper „Oberon“ zitiert Lanner den Hornruf der Ouvertüre und versetzt mit
einigen wenigen Takten den Zuhörer in sein Zauberreich. Dass dieser Walzer nur in der Klavierfassung
vorliegt, ist besonders bedauerlich, eine Aussage ĂĽber die Instrumentierungskunst Lanners in dieser Epo-
che ist nicht möglich.
Die frühen Introduktionen schließen in der Regel mit einer deutlichen Zäsur auf der Dominante, ehe
Walzer Nr. 1 beginnt. Andere Formen, in denen die Introduktion ĂĽberleitet, finden sich ebenfalls. Ein
gutes Beispiel ist etwa der „Lock-Walzer“ op. 80 – calando gleitet Lanner in das erste Walzerthema.
Im Lauf der Jahre wandelte sich die Funktion des Walzers, weg vom reinen Tanzwalzer hin zu einem auto-
nomen MusikstĂĽck, welchem in Konzerten ebenso aufmerksam gelauscht wurde wie einer klassischen
OuvertĂĽre oder einem behaglichen Opernpotpourri. Zunehmend konnte Lanner es wagen, einen neuen
Ton in seine Introduktionen einzuführen, mit Anklängen an die großen Tonmalereien der romantischen
Konzertliteratur.
Nicht nur der Umfang der Introduktion wuchs, sie wurde zunehmend in mehrere durch unterschiedliche
Tempi charakterisierte Teile gegliedert (z. B.: „Die Abenteurer“ op. 91).
Die Werke, die im Umkreis von Lanners Reisen nach Pesth geschrieben wurden, zeigen diesen Quali-
tätssprung am deutlichsten. Fern seiner angestammten Reviere musste Lanner sich beweisen, vor neuem
Publikum sich bewähren.
Der „Pesther Walzer“ op. 93, und „Abschied von Pesth“ op. 95 eröffnen mit groß angelegten eigenstän-
digen Einleitungsteilen. Op. 93 eröffnet mit einem Marsch, ein achttaktiges Thema führt zur Dominate.
An einen kurzen lyrischen Mittelteil schlieĂźt sich die Reprise des Marsches, reicher instrumentiert, mit
einer ĂĽberraschenden Wendung von G-Dur nach H-Dur, der Dominante des ersten Walzers (e-Moll).
Klar abgetrennt, mit Fermate schlieĂźt die Introduktion, bildet mit ihren straffen Rhythmen den denkbar
größten Kontrast zur nun einsetzenden, durch Hemiolen geprägten Walzermelodie. Die Introduktion zu
op. 95 „Abschied von Pesth“ stach aus der Walzerproduktion von Lanners Mitbewerbern heraus: „Sehr
gelungen und überraschend ist die Introduction …“230
230 Theaterzeitung 16. 2. 1835.
Joseph Lanner
Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Title
- Joseph Lanner
- Subtitle
- Chronologisch-thematisches Werkverzeichnis
- Author
- Wolfgang Dörner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78793-8
- Size
- 21.0 x 29.5 cm
- Pages
- 752
- Keywords
- Joseph, Lanner, list of works, waltz, Vienna, danse, Joseph, Lanner, Werkverzeichnis, Walzer, Wien, Tänze
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Danksagung 9
- Verzeichnis der AbkĂĽrzungen 10
- Biographische Notizen 13
- Reisen 16
- Beginn – Werden – Sein 21
- Vorläufer – Mitläufer – Nachfolger 23
- Tanz 28
- Bälle – Tanzstätten – Aufführungsorte 32
- Solisten – Ensemble – Kapelle – Orchester 39
- Akademie – Assemblée – Conversation – Piquenique – Réunion 42
- Publikum 44
- Werke 46
- Instrumentation 69
- Formen 79
- Notenmaterialien 86
- Widmungsträger 95
- Titel 97
- Verlage 100
- Quellen – Bibliotheken – Sammlungen 101
- Funktionalität – Autonomie – Interpretation 102
- Virtuosentum 106
- Romantik – Biedermeier 108
- Strahlender Stern – leuchtender Stern 112
- Rezension – Rezeption 113
- FlĂĽchtige Lust 115
- Literatur 117
- I. Gedruckte und mit Opuszahlen versehene Werke
- II. Nicht mit Opuszahlen versehene Werke
- III. Sammelwerke und diverse Werke 717
- IV. Anhang