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Dieter Hecht
Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt
Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938
Die jüdische Welt der Zwischenkriegszeit hatte viele Stimmen und Wahrheiten. Wien
war als drittgrößte jüdische Gemeinde Europas eines der Zentren des jüdischen Pres-
sewesens. Es erschienen Periodika in verschiedenen Sprachen und für verschiedene
religiöse und politische Gruppen. Mit „liberal, sozialistisch-kommunistisch, national-
jüdisch-zionistisch und orthodox“ umfassten sie das ganze ideologische Spektrum des
zeitgenössischen Judentums. Das Fundament für diesen Status wurde während der
Monarchie gelegt. Der Zusammenbruch der Monarchie veränderte die Situation in
politischer und wirtschaftlicher Hinsicht nachhaltig. Für die jüdische Bevölkerung
der Republik Österreich – bis zum Friedensvertrag von St. Germain-en-Laye im Jahr
1919 eigentlich Republik Deutsch-Österreich – gestaltete sich diese Veränderung be-
sonders dramatisch. Waren die Mitglieder bis dahin EinwohnerInnen der Haupt-
stadt eines Reiches mit vielen Nationalitäten und Religionen, wurden sie nun zu
Bewohnern eines kleinen, überwiegend katholischen, von Existenzängsten geplagten
Nationalstaates. Im Mittelpunkt jüdischen Interesses stand damit die Frage nach der
zukünftigen Stellung der jüdischen Bevölkerung in dieser Republik und dem Schick-
sal der sogenannten „Ostjuden“, die im Zuge des Ersten Weltkriegs nach Wien ge-
kommen waren.
In diesem Zusammenhang hatte die jüdische Presse auf inhaltlicher Ebene große
Bedeutung als Instrument der Interessenvertretung, das über die reine Information
hinausgeht. Die jüdische Presse der Zwischenkriegszeit spiegelt somit die sozioöko-
nomische Situation des österreichischen Judentums wider. Sie dokumentiert die Be-
ziehungen zwischen jüdischer Minderheits- und christlicher Mehrheitsbevölkerung,
innerjüdische religiöse und kulturelle Strömungen, Bemühungen um gesellschaftliche
Vgl. Jacob Toury, Die jüdische Presse im österreichischen Kaiserreich 1802–1918, Tübingen 1983.
Marsha Rozenblit, „Jewish Ethnicity in a New Nation-State. The Crisis of Identity in the Austrian Re-
public“, in : Michael Brenner, Derek Penslar (Hg.), In Search of Jewish Community. Jewish Identities in
Germany and Austria 1918–1933, Bloomington 1998, S. 134–153, S. 134–136.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519