Page - 257 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Michaela Raggam-Blesch
„Being different where being different was definitely not good“
Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien1
Thus I became a Jew and a Jewish woman and double difference became imprinted on me
– not pride, but embarrassment ; not collectivity, but exclusion.
Die Präsenz von Antisemitismus und Misogynie, die vor allem im Wien der Jahrhun-
dertwende prominente Bedeutung erlangte, wirkte auch in der Zeit nach dem Ers-
ten Weltkrieg weiterhin fort. In diesem Zusammenhang ist die Lebenswelt jüdischer
Frauen von Interesse, die sich in einem Milieu bewegten, in dem sie doppelte Aus-
grenzung erfuhren. Im Rahmen dieses Beitrages sollen autobiografische Erinnerungen
und Selbstzeugnisse jüdischer Frauen auf die spezifische Dynamik jüdisch-weiblicher
Identitätskonstruktionen untersucht werden. Wie im Folgenden noch gezeigt werden
soll, ist jedoch nicht generell von einem ausgeprägten Bewusstsein gegenüber den vor-
handenen Ausgrenzungstendenzen auszugehen. Vielmehr wird deutlich werden, dass
die Diskriminierungen vorwiegend in spezifischen Milieus wahrgenommen wurden.
Das eingangs angeführte Zitat der 1920 in Wien geborenen Historikerin Gerda Ler-
ner, das die Dynamik der doppelten Ausgrenzung in eindringlicher Weise reflektiert,
muss in diesem Zusammenhang eher als Ausnahme angesehen werden.
Im Folgenden soll nach einer kurzen Einführung in die Quellenanalyse ein Abriss
über den Kontext jüdischen Lebens in Wien vermittelt werden, wobei auch iden-
titätsspezifische Aspekte diskutiert werden sollen. Darüber hinaus werden die Um-
brüche in der weiblichen Lebenswelt am Beginn des 20. Jahrhunderts aufgezeigt,
die die Lebenssituation jüdischer Frauen in den nachfolgenden Jahrzehnten weiter-
hin prägten. Ein weiterer Abschnitt wird das Zusammenwirken von Antisemitismus
und Antifeminismus beleuchten, wobei sich in diesem Zusammenhang vor allem der
Dieser Beitrag basiert auf den Ergebnissen meiner Dissertation zu jüdisch weiblichen Identitätskonst-
ruktionen in autobiografischen Texten : Michaela Raggam-Blesch, Zwischen Ost und West. Identitätskonst-
ruktionen jüdischer Frauen in Wien, Innsbruck, Wien, Bozen 2008.
Gerda Lerner, Why History Matters. Life and Thought, New York, Oxford 1997, S. 8.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519