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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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sein ganzes Denken ist seit Jahren ausschließlich nur von den Ideen Schillers, von seinem Glauben an die Erhöhung der Menschheit genährt. Er ist vollkommen von ihm dichterisch gezeugt und gestaltet, so sehr sein ideelles Produkt wie die andern Schwärmerjünglinge, wie der Marquis Posa und Max Piccolomini: so erkennt er in Hölderlin seine eigene Übersteigerung, sein menschgewordenes Wort. Alles, was Schiller von dem Jüngling gefordert, Begeisterung, Reinheit, Überschwang, das ist bei Hölderlin Leben geworden, dieser junge Schwärmer lebt das Schillersche Postulat der idealischen Forderung als Existenz. Hölderlin lebt den Idealismus, den Schiller nur noch rhetorisch-dogmatisch fordert, er glaubt an die Götter und das Griechenland, die für Schiller längst bloß großartige dekorative Allegorien wurden, er erfüllt die Mission des Dichters, die jener nur schwärmend postuliert. In Hölderlin werden seine eigenen Theorien, seine Ahnungen plötzlich leibhaft sichtbar: darum dies geheime Erschrecken Schillers, als er den Jüngling, seinen Dichterjüngling, zum erstenmal leibhaft sieht, sein postuliertes Ideal als lebendigen Menschen. Er erkennt ihn sofort: »Ich fand in diesen Gedichten viel von meiner eigenen Gestalt, und es ist nicht das erste Mal, daß mich der Verfasser an mich mahnte«, schreibt er an Goethe, und mit einer gewissen Rührung beugt er sich zu dem äußerlich so demütigen, innerlich aber lodernden Menschen wie in den Rückschein eigenen erloschenen Jugendfeuers. Aber gerade diese vulkanische Feurigkeit, dieser Enthusiasmus (den er dichterisch unablässig propagiert) erscheint dem gereiften Manne als gefährlich für den normalen Lebenszustand: Schiller kann an Hölderlin menschlich nicht gutheißen, was er dichterisch gefordert, den schäumenden Überschwang, das Auf-eine-Karte-Setzen der ganzen Existenz, und so muß er – tragischer Zwiespalt – seine eigene Gestalt, den idealischen Schwärmer, als lebensunfähig ablehnen. Sein profunder Blick wird sofort gewahr, daß jener Idealismus, den er von den deutschen Jünglingen gefordert, nur in einer idealischen Welt, im Drama, am Orte sei, daß aber hier, in Weimar und Jena, diese poetische Unbedingtheit, diese dämonische Nicht-Konzilianz des inneren Willens einen jungen Menschen zerstören müsse. »Er hat eine heftige Subjektivität – sein Zustand ist gefährlich, da solchen Naturen schwer beizukommen ist«: wie von einer abstrusen Erscheinung spricht er von dem »Schwärmer« Hölderlin, fast genau also wie Goethe vom »pathologischen« Kleist; beide erkennen sie bei beiden sofort intuitiv den vorbrechenden Dämon, die explosive Gefahr der überhitzten und gestauten Innerlichkeit. Während Schiller aber in der Dichtung solche Heldenjünglinge lyrisch emportreibt und in ihr Übermaß selig hineinstürzen läßt, hinab in den Abgrund ihres Gefühls, sucht im realen Leben der gutmütige, freundliche Mann Hölderlin zu mäßigen. Er bemüht sich für seine private, seine bürgerliche Existenz, verschafft ihm Stellung und seinem Werke einen Verlag – mit innerster Herzensneigung fördert ihn 53
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Title
Der Kampf mit dem Dämon
Subtitle
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Author
Stefan Zweig
Date
1925
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
202
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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