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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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Schiller in geradezu väterlicher Weise. Und, um die gefährliche Spannung des Überschwangs in ihm zu lockern und zu lindern, um ihn »vernünftig zu machen«, drückt er (bei aller Neigung) sanft und planmäßig auf sein Emporstreben, ohne zu ahnen, wie schon leisester Druck diesen Empfindsamen zerbrechen kann. So verwirrt sich allmählich die beiderseitige Stellung: Schiller spürt über Hölderlins Haupt mit dem tiefen Blick des Schicksalbildners das Beil der Selbstvernichtung drohen – Hölderlin fühlt sich wieder von dem »einzigen Manne, an den er seine Freiheit verloren«, von Schiller, »von dem er unabwendig dependiert«, wohl im äußeren Sinne gefördert, doch im tiefsten Wesen nicht verstanden. Er hatte Aufschwung erhofft, Bestärkung – »ein freundlich Wort aus eines tapferen Mannes Herzen ist wie ein geistig Wasser, das aus der Tiefe der Berge quillt und die geheime Kraft der Erde uns mitteilt in seinem kristallenen Tropfen«, sagt Hyperion –; aber sie geben beide nur, Schiller und Goethe, tropfenweise und lau ihre Zustimmung. Niemals teilen sie verschwenderisch Begeisterung aus und entflammen ihm das Herz. So wird Schillers Nähe bei aller Beglückung allmählich zur Qual für Hölderlin: »Ich war immer in Versuchung, Sie zu sehen, und sah Sie immer nur, um zu fühlen, daß ich Ihnen nichts sein konnte«, schreibt er ihm aus einem innern, schmerzvollen Abschied. Und endlich spricht er die Dissonanz seines Gefühls offen aus: »deswegen darf ich Ihnen wohl gestehen, daß ich zuweilen in geheimem Kampfe mit Ihrem Genius bin, um meine Freiheit gegen ihn zu retten«. – Sein Tiefstes, so erkennt er, darf er ihm nicht mehr anvertrauen, der seine Gedichte bekrittelt, seine Überschwänge dämpft, der ihn klein, lau haben will, nicht »subjektivistisch und überspannt«. Aus Stolz inmitten seiner Demut verbirgt er vor Schiller seine wesenhafteren Gedichte, zeigt nur das Spielhafte, das Epigrammatische seiner Produktion, denn ein Hölderlin kann sich nicht wehren, nur beugen und verbergen, das ist seine ewige Haltung. Er bleibt vor den Göttern seiner Jugend ewig auf den Knien: nie schwindet die Verehrung, die Dankbarkeit für jenen, der die »Zauberwolke seiner Jugend« gewesen und seiner Stimme den Gesang geliehen. Und Schiller beugt sich ab und zu mit gefällig förderndem Wort, und Goethe geht freundlich-gleichgültig vorbei. Aber sie lassen ihn liegen auf seinen Knien, bis ihm der Rücken bricht. So wird die ersehnte Begegnung mit den Großen zu Verhängnis und Gefahr, das freie Jahr in Weimar, von dem er Vollendung der Werke geträumt, fast vergebens vertan. Die Philosophie – dieses »Hospital für verunglückte Poeten« – hat ihn nicht gefördert, die Dichter ihn nicht erhoben: ein Torso ist Hyperion geblieben, das Drama nicht geendet und trotz äußerster Sparsamkeit seine Mittel erschöpft. Die erste Schlacht um sein Schicksal als dichterische Existenz scheint verloren, denn Hölderlin muß wieder der Mutter zur Last fallen und mit jedem Bissen Brot heimlichen Vorwurf mitwürgen. Aber in 54
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Title
Der Kampf mit dem Dämon
Subtitle
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Author
Stefan Zweig
Date
1925
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
202
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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