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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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der Mythos von einem seligen Lebensalter der Menschheit, da dieser Zustand arkadisch unbewußt war und der religiöse Glaube an ein »zweites Lebensalter der Menschheit«. Was einst die Götter schenkten und die Unwissenden sinnlos verspielten, diesen heiligen Zustand erschafft sich wieder im Fron von Jahrhunderten der ringende Geist. »Von Kinderharmonie sind die Völker ausgegangen, die Harmonie der Geister wird der Anfang einer neuen Weltgeschichte sein. Es wird nur Schönheit sein und Mensch und Natur sich vereinigen in eine allumfassende Gottheit.« Denn – so folgert Hölderlin mit einer überraschenden Eingebung – kein Traum kann dem Menschen zufallen, dem nicht irgendeine Wirklichkeit entspräche. »Ideal ist, was einmal Natur war.« So muß die halkynische Welt einmal gewesen sein, da wir sie ersehnen. Und da wir sie ersehnen, so erschafft sie noch einmal unser Wille. Dem Griechenland der Geschichte müssen wir ein neues zur Seite zeugen, ein Griechenland des Geistes: selbst sein edelster deutscher Ahnherr, bildet Hölderlin diese neue Allheimat im Gedicht. In allen Sphären sucht nun Hölderlins jugendlicher Bote diese »schönere Welt«. Hyperions erstes Ideal (er ist ja Hölderlins leuchtender Schatten) wird die Natur, die allvereinende; aber auch sie vermag die eingeborne Schwermut des ewig Suchenden nicht zu lösen. So sucht er weiter die Verschmelzung in der Freundschaft: auch sie füllt nicht das Unmaß seines Herzens. Dann scheint die Liebe ihm die selige Bindung zu gewähren: doch Diotima schwindet, und so sinkt dieser kaum begonnene Traum. Nun soll es das Heldentum, der Kampf um die Freiheit sein: aber auch dies Ideal zerschellt an der Wirklichkeit, die Krieg zur Plünderung, Roheit und Mord erniedrigt. Bis in die Urheimat folgt der sehnsüchtige Pilgrim seinen Göttern: aber Griechenland ist nicht Hellas mehr, ein ungläubiges Geschlecht entheiligt die mystische Stätte. Nirgends findet Hyperion, der Schwärmer, mehr Ganzheit, nirgends Einklang, ahnend erkennt er das furchtbare Los, zu früh oder zu spät in diese Welt gekommen zu sein, er ahnt die »Unheilbarkeit des Jahrhunderts«. Die Welt ist ernüchtert und zerstückt. Aber die Sonne des Geists, die schönere Welt, ist hinunter, Und in frostiger Nacht zanken Orkane sich nur. Und wie ihn nun, einem urmächtigen Zorne nachgebend, Hölderlin noch nach Deutschland jagt, wo er selbst im einzelnen Menschen noch den Fluch des Zerteiltseins, der Spezialisierung, der Loslösung vom heilig Ganzen des Lebens erfährt, da erhebt Hyperions Stimme sich zu furchtbarster Warnung. Es ist, als sähe der Seher die ganze Gefahr des Abendlandes aufsteigen, den Amerikanismus, die Mechanisierung, die Entseelung des aufsteigenden Jahrhunderts, von dem er so glühend die »Theokratie des Schönen« erhofft. 65
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Title
Der Kampf mit dem Dämon
Subtitle
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Author
Stefan Zweig
Date
1925
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
202
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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