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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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Schwebende, dies nur wie Traum Über-die-Welt-Hinfahren, dies selig Gewichtlose und Erlöste in seiner eigenen Melodie. Goethe dichtet von der Erde aus, Hölderlin über die Erde hinweg: Poesie ist ihm (wie Novalis, wie Keats, wie all den Genien, den frühgestorbenen) Überwindung der Schwerkraft, Zergehen des Ausdrucks in Klang, Heimkehr ins flutende Element. Die Erde aber, die schwere, harte, dies vierte Element des Alls, sie hat – ich sagte es schon – nicht teil an dem beflügelten Gebilde des Hölderlinschen Gedichtes: sie ist für ihn immer nur das Untere, das Gemeine, das Feindselige, dem er sich entringt, die Schwerkraft, die ihn ewig an seine Irdischkeit gemahnt. Aber auch die Erde enthält heilige Kunstkraft für den Bildner, sie bringt Festigkeit, Umriß, Wärme und Wucht, göttlichen Überfluß für den, der ihn zu nützen weiß. Baudelaire, der ganz aus der Gegenständlichkeit irdischen Materials mit gleicher geistiger Leidenschaft bildet, ist vielleicht da der vollkommene lyrische Gegenpol Hölderlins. Seine Gedichte, die ganz aus Komprimierung geschaffen sind (indes jene aus Auflösung), sind als Plastiken des Geistes ebenso standhaft vor dem Unendlichen wie Hölderlins Musik, ihre Kristallhaftigkeit von Wucht nicht minder rein als Hölderlins weiße Durchsichtigkeit und Schwebe – sie stehen einander Stirn an Stirn gegenüber wie Erde und Himmel, Marmor und Wolke. In beiden aber ist die Steigerung und Verwandlung des Lebens in Form, in plastische oder musikalische, eine vollkommene: was zwischen ihnen in unendlichen Varianten der Gebundenheit und Lösung flutet, ist herrlicher Übergang. Sie aber sind die Grenzen, das Äußerste der Ballung, das Äußerste der Auflösung. In Hölderlins Gedicht ist dies Zergangensein des Konkreten – oder wie er schillerisch sagt: »die Verleugnung des Akzidentiellen« – so vollkommen, das Gegenständliche so restlos vernichtet, daß die Titel oft gänzlich leer und zufällig über den Versen haften; man lese einmal zur Probe die drei Oden an den Rhein, an den Main und an den Neckar, um zu fühlen, wie sehr die Entpersönlichung auch der Landschaft in ihm fortschreitet: der Neckar rollt ins attische Meer seines Traums, und Griechentempel blinken an den Ufern des Mains. Sein eigenes Leben löst sich auf zum Symbol, Susanne Gontard entsinnlicht sich zu Diotimas ungewissem Bildnis, die deutsche Heimat zu einem mystischen Germanien: keine Spur Irdischkeit, keine Schlacke eigenen Schicksals bleibt zurück von dem lyrischen Verbrennungsprozeß. Bei Hölderlin verwandelt sich nicht (wie bei Goethe) Erlebnis ins Gedicht, sondern es entschwindet, es verdunstet im Gedicht, es löst sich vollkommen, ja spurlos auf in Wolke und Melodie. Hölderlin verwandelt nicht Leben zur Poesie, sondern er entflieht dem Leben ins Gedicht, als in die höhere, die wahrere Wirklichkeit seiner Existenz. Dieser Mangel an Erdkraft, an sinnlicher Bestimmtheit, an plastischen 75
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Title
Der Kampf mit dem Dämon
Subtitle
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Author
Stefan Zweig
Date
1925
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
202
Keywords
Literatur, Schriftsteller
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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