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PHILOSOPHIE176
liche Untersuchungen belegen, daß innerhalb geschlossener Grup-
pen wie beispielsweise Subkulturen keine Diskriminierung unter
den Mitgliedern herrscht.12 Das liegt unter anderem daran, daß ein
derartig negatives Feedback innerhalb einer Minderheit sofort die ge-
samte Gruppe betreffen würde. Eine Diskriminierung innerhalb der
eigenen Strukturen würde eine Diskriminierung der gesamten Szene
bedeuten.13
Hinzu kommt, daß das Szeneleben meist nur im Chat stattfindet.
Selbstgewählte Pseudonyme ermöglichen den Nutzern,sich anderen
gegenüber nach Belieben darzustellen. Beurteilt werden Szenemit-
glieder nach ihrer Leistung in der Szene. Die Anonymität gibt dem
Mitglied die Möglichkeit, Teile seiner Persönlichkeit nach Belieben
offenzulegen oder zu verbergen.
Viele Außenstehende empfinden das typische Bild eines Szene-
mitglieds als skurril. Sie werden als sogenannte Nerds oder Freaks
abgestempelt,die ihre Zeit mit sinnlosen Plaudereien und rätselhaf-
ten Aktivitäten am Computer vergeuden. Die Lobby der Software-
industrie und die Presse tun ihr Bestes,um dieses Bild mit möglichst
vielen negativen Attributen aufzuladen.Dem Begriff »Hacker« haftet
bis heute ein abwertender und negativer Unterton an. Für die mei-
sten Leute ist ein Hacker nach wie vor jemand, der destruktiv vor-
geht und seinen Tag allein damit verbringt, fremdes Eigentum zu
stehlen oder zu zerstören.Szenemitglieder sind in ihren Augen nicht
nur »verbrecherische Raubkopierer«, sondern auch eine Bande orga-
nisierter Krimineller, die man am liebsten als »Mafia« bezeichnen
würde.
Diese Art von Propaganda und Bestätigung von Vorurteilen hält die
Szene allerdings nicht von ihrem Treiben ab, sie hat sogar einen
gegenteiligen Effekt: Die Szene wird noch mehr motiviert. Verhal-
tensforscher haben längst erkannt, daß die Herabsetzung einer
Minderheitsgruppe durch Außenstehende den inneren Zusammen-
halt weiter verstärkt. Das Phänomen wird dadurch erklärt, daß die
Mitglieder sich gegen derartige Angriffe in einer Protesthaltung zu
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No Copy
Die Welt der digitalen Raubkopie
- Title
- No Copy
- Subtitle
- Die Welt der digitalen Raubkopie
- Authors
- Jan Krömer
- Evrim Sen
- Publisher
- Tropen Verlag
- Location
- Leipzig
- Date
- 2007
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 3-932170-82-2
- Size
- 13.9 x 19.0 cm
- Pages
- 314
- Keywords
- Raubkopie, Werk, Digitalisierung, Vervielfältigung, Privatgebrauch
- Categories
- Medien
- Recht und Politik
Table of contents
- 1. DIE GESCHICHTE DER SCHWARZKOPIE
- 2. KOPIE DER KOPIE DER KOPIE
- 3. ALL YOU CAN EAT
- 4. DIE KUNST DES CRACKENS
- 5. CRACKERETHIK
- 6. RAUB, KOPIE, PHILOSOPHIE
- 7. IM PARAGRAPHENDSCHUNGEL
- 8. DAS IMPERIUM UND SEINE REBELLEN
- 9. AUFRUHR IM SYSTEM
- NACHWORT 256
- INTERVIEWS
- GLOSSAR 279
- ANMERKUNGEN 290