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16 Vorwort
Pieter Judson schreibt – aufzeigen, »welche vollkommen unterschiedlichen
Bedeutungen solche an der Oberfläche als national erscheinende Konflikte
haben können«.2
Es handelt sich um soziale, konfliktbeladene Prozesse, die auch anderswo
in Europa anzutreffen waren. Wenn die Konflikte als Teil dieser Prozesse
erzählt werden, lässt sich aufzeigen, wie wenig sich die Habsburgermon-
archie von anderen europäischen Staaten unterschied. Der vermeintliche,
überbetonte Unterschied hätte im »Nationalitätenkonflikt« bestanden. In
der Arbeit werden aber die sozialen, religiösen, parteipolitischen und per-
sönlichen Komponenten, die sich hinter den national erzählten Konflikten
verbargen, hervorgehoben – mit Fokus auf einem kleinen Raum und einer
marginalisierten Personengruppe (die ländlichen Katholiken des ober-
adriatischen Raumes).
*
In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren erhöhte sich das wissenschaftli-
che und populär-wissenschaftliche Interesse an der Habsburgermonarchie,
deren Bestehen und Ableben Reminiszenzen bezüglich der heutigen inne-
reuropäischen Krisen (Nationalismus, Populismus, staatsrechtliche Debat-
ten, Identitätsfragen usw.) hervorrufen. Die Habsburgermonarchie gilt in
der Wissenschaft und der Erinnerungskultur der späteren Nachfolgestaa-
ten längst nicht mehr als »Völkerkerker«, wie sie in den nationalistischen
Vorwürfen oft beschrieben wurde. Vielmehr anerkennen Wissenschaftler,
Intellektuelle und interessierte Menschen die zivilisatorischen und friedens-
sichernden Leistungen der Habsburger in einer Region wie Ostmittel- und
Südosteuropa, die nach dem Zerfall des österreichischen (ab 1867: österrei-
chisch-ungarischen) Imperiums totalitäre Regime rechter und linker Prä-
gung, Kriege, Massenmorde, Vertreibungen sowie wirtschaftliche und poli-
tische Bedeutungsverluste erleben musste.
In einer Zeit, in der die nationalen und religiösen Fragen in Europa wiede-
rum polarisieren, kann eine Arbeit, die sich mit der Komplexität nationaler
und religiöser Selbst- und Fremdwahrnehmungen sowie national und reli-
giös (miss)verstandenen Konfliktsituationen auseinandersetzt, einen rele-
vanten Beitrag für das Verständnis multiethnischer Räume liefern.
2 Pieter Judson, Die Habsburgermonarchie – neue Interpretationen, in: Jana Oster-
kamp (Hg.), Kooperatives Imperium. Politische Zusammenarbeit in der späten
Habsburgermonarchie, Göttingen 2018, S. 315–324, hier S. 316.
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303