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26 Einführung
wurde in den externen Konfliktwahrnehmungen komplett ausgeblendet.
Der »Nationalitätenkonflikt« stellte als Interpretationsnarrativ ein domi-
nierendes Sagbarkeitsregime dar: Es spiegelte die damalige Machtstruktur
wider, in welcher das Gesagte seine Bedeutung gewinnen konnte. In meiner
Forschung hinterfrage ich daher das ethnisch (ethnopolitisch) aufgeladene
Narrativ der »Nationalitätenkonflikte« auch bezüglich der innerkatholi-
schen Konflikte, denn
[s]o genannte »ethnische« Konflikte sind […] nicht als Konflikte zu betrachten,
denen Ethnizität als eine eigenständige, vorgängige und unabhängige Ursache bzw.
Bedingung zu Grunde liegt. Vielmehr gilt es zu klären, wann und wie in sozialen
Konfliktdynamiken auf ethnisierende Artikulationsangebote von Problemen und
Interessen sowie auf ethnisierende Interpretationsangebote von sozialen Ungleich-
heiten, Macht und Herrschaftsverhältnissen, Etablierten-Außenseiter-Konflikten,
der Folgen und Nebenfolgen sozialer Ausgrenzung usw. zurückgegriffen wird und
wann nicht.22
Ethnizität (Nationalität) beschreibt insofern soziale Ungleichheit.23 In den
innerkatholischen Konfliktfällen lässt sich besonders die Situation der süd-
slawischen, katholischen Landbevölkerung in dieser Hinsicht betrachten.
Die sozialen Hintergründe der Konflikte konnten in der Machtstruktur, in
der die südslawische, katholische Landbevölkerung mehrfach marginalisiert
wurde, kaum zum Tragen kommen. Daher bietet sich die Intersektionalität
als Erklärung an: Mit dieser werden Positionen beschrieben, die nicht aus
einem hierarchisch bedingten Machtverhältnis,24 sondern aus der Überlap-
pung mehrerer Asymmetrien und Diskriminierungen zu verstehen sind.25
So lässt sich die Vielschichtigkeit der Macht- und Unterdrückungsverhält-
nisse – jenseits von einseitigen, kategorisierenden und hierarchischen Erklä-
22 Ulrike Hormel / Albert Scherr, Was heißt »Ethnien« und »ethnische Konflikte« in
der modernen Gesellschaft?, in: Alex Groenemeyer / Jürgen Mansel (Hg.), Die Eth-
nisierung von Alltagskonflikten, Wiesbaden 2003, S. 47–66, hier S. 48.
23 Alex Groenemeyer, Kulturelle Differenz, ethnische Identität und die Ethnisie-
rung von Alltagskonflikten. Ein Überblick sozialwissenschaftlicher Thematisie-
rungen, in: Ders. / Mansel (Hg.), Die Ethnisierung von Alltagskonflikten, S. 11–46,
hier S. 35ff.
24 Kimberle Crenshaw, Demarginalizing the Intersection of Race and Sex. A Black
Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracist
Policies, in: University of Chicago Legal Forum 1989, S. 139–167, hier S. 139f.; sowie
dies., Mapping the Margins. Intersectionality, Identity Politics, and Violence against
Women of Color, in: Stanford Law Review 43 (1991), S. 1241–1299, hier S. 1244.
25 Andrea Griesebner / Susanne Hehenberger, Intersektionalität. Ein brauchba-
res Konzept für die Geschichtswissenschaften?, in: Vera Kallenberg u. a. (Hg.),
Intersectionality und Kritik. Neue Perspektiven für alte Fragen, Wiesbaden 2013,
S. 105–124, hier S. 107.
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Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303