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Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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102 Österreichisches Küstenland Neresine / Nerezine war mehrheitlich italienischsprachig: Von den 1.308 Einwohnern gaben 997 Menschen das Italienische und 306 Menschen das Kroatische als ihre Umgangssprache (bei der Volkszählung von 1900) an.63 Bischof Šterk meinte, dass die ganze Debatte um die Liturgiesprache als Vor- wand für antikirchliche Positionen italienischsprachiger politischer Akteure diene: Die lateinische Sprache sei dabei »ein Mittel für politische Zwecke«.64 Die Spannungen wirkten bis in das Leben einzelner Menschen auf der lokalen Ebene hinein  – und in diesen konkreten Fällen nahmen die Men- schen ihre Situation oft durch eine nationalisierte Brille wahr. Für viele itali- enischsprachige Katholiken, auch wenn sie die nationalliberale Deutungsho- heit ablehnten, stellten die südslawischen Priester eine Bedrohung dar. Viele jüngeren, südslawischen Priester forderten nicht nur die nationalliberale Elite, sondern auch die italienischsprachigen Gläubigen innerhalb der Kir- che heraus. Im  April 1897 meldete etwa der Bürgermeister von Ossero / Osor, dass die kroatischsprachigen Priester in Neresine / Nerezine mehreren Kin- dern die in lateinischer Sprache zu erteilende Taufe verweigert hätten.65 Ein neugeborenes, krankes Mädchen verstarb im  Februar 1896, ohne getauft zu werden: Don Trinajstić habe die kleine Marcella nur in altslawischer Spra- che taufen wollen, was die Eltern aber ablehnten. Der Vater, Dominico Cave- doni, stellte ein paar Monate später am Grab seiner verstorbenen Tochter ein eineinhalb Meter großes Holzkreuz auf. Es wurde »der Seele unserer aller- liebsten Marcella« gewidmet, »der verneint wurde, den Fleck der Erbsünde in einer Zeremonie der lateinischen Liturgie wegzuwaschen«. Der Vater ließ dem Text  – wie eine fiktive Aussage des Mädchens gegen den Priester  – hin- zufügen: »Von der Spitze des Himmels bete ich für diejenigen, die das Gut der Vernunft verloren haben.« 66 Im Bischofsitz von Veglia / Krk folgte inzwischen der slowenischsprachige Antun Mahnič auf den kroatischsprachigen Šterk, der als Bischof nach Triest ging. Fälle, in denen Kinder auf der Insel Lussin / Lošinj wegen der Sprache kirchlich nicht begraben oder getauft wurden, ereigneten sich auch unter ihm immer wieder.67 Hinter den nationalen Gegensätzen schienen jedoch 63 Daten aus: Gemeindelexikon der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder, S.  62. 64 Brief des Bischofes (31.  März 1896), in: AST, Luogotenenza, AP, b.  256, fasc.  4.1.5., 1896/745 [übersetzt aus dem Italienischen von mir]. 65 Brief des Bürgermeisters (7.  April 1897), in: Ebd., 1897/22. 66 Bericht des Bezirks-Gendarmarie-Commandos von Lussinpiccolo / Mali Lošinj (4.  Juni 1897), in: Ebd., 1897/5440 [übersetzt aus dem Italienischen von mir]. 67 Siehe etwa Bericht der Bezirkshauptmannschaft von Lussin / Lošinj (7.  Februar 1898), in: Ebd., 1898/307 oder Bericht der Bezirkshauptmannschaft von Lussin / Lošinj (7.  Februar 1898), in: Ebd., b.  223, fasc.  4.1.15., 1899/2284. [Etwa wollte Bischof Mahnič im Jahre 1906 das Begräbnis nach lateinischer Zeremonie erlauben, aber der örtliche Kaplan behauptete, das Telegramm darüber erst nach dem Begräbnis erhalten zu haben  – deswegen entstand zuerst wiederum eine Streitigkeit zwischen
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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