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Geschichte
Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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105Konflikte um die Nationalisierung lienern« und »Kroaten«, sondern von »Herren«, denen die »Bauern« gegen- übergestanden hätten: »die Bauern [sehen] von Tag zu Tag besser [ein], wie sie von der herrschenden Clique hinters Licht geführt und in schnödester Weise missbraucht werden«.78 Bischof Mahnič erkannte die Gewalt nicht in den physischen Handlungen kroatischsprachiger Bauern. Seiner Auffassung nach war die kroatischspra- chige, ländliche Bevölkerung solchen Ungleichheitsstrukturen ausgesetzt. Dabei verschwieg er, dass vertikale, sozial bedingte Konflikte nicht nur im »weltlichen« Raum, das heißt zwischen der städtischen (meist italienisch- sprachigen) Elite und der ländlichen (meist südslawischen) Bevölkerung bestanden, sondern auch im kirchlichen Raum zwischen den Kirchgängern und den kirchlichen Obrigkeiten (Pfarrern, Bischöfen). In den ethnisch- sprachlich heterogenen Gebieten konnten diese vertikalen Konflikte national gedacht und bedient werden  – auch wenn die Konfliktgründe vordergründig nicht von den ethnisch-nationalen Differenzen (als horizontaler Konfliktpo- tenzialität), sondern den vertikalen Machtstrukturen bedingt waren. Im Folgenden werden einige Fallbeispiele aus der istrianischen Halbin- sel  – vor allem aus dem sehr gemischt bewohnten west- und nordistriani- schen Teil  – geschildert, die zwar die nationale Polarisierung des Kirchen- lebens und die nationale Positionierung der Priester beweisen könnten, aber eigentlich andere Konfliktgründe aufwiesen: persönliche Animositäten zwi- schen den Priestern und den Kirchgängern. Weil mehrere Sprachen vor Ort vorhanden waren, verdeckten die sprachlichen Unterschiede als vermeintli- cher Konfliktgrund die Komplexität der lokalen Ebene. Im westistrianischen San Giovanni di Sterna / Sv. Ivan od Šterne verließen die Menschen ab 1897 immer öfters sehr empört die Kirche, wenn der tsche- chischstämmige Pfarradministrator,79 Josip Ptašinski, predigte. Das Dorf gehörte zum mehrheitlich italienisch bewohnten Gerichtsbezirk von Visig- nano / Višnjan, hatte aber eine südslawische Mehrheit: Von den 1.153 Ein- wohnern gaben 907 das Kroatische als ihre Umgangssprache bei der Volks- zählung von 1900 an.80 Trotz der Präsenz der großen italienischsprachigen Minderheit waren die Predigten von Don Ptašinski meistens Wutausbrüche gegen die »Italiener«, die er etwa  – im Sinne der nationalen Markierung 78 Brief vom Bischof Mahnič (27.  Mai 1902), in: AST, Luogotenenza, AP, b.  267, fasc.  1.2.3., 1902/1321. 79 Im Sinne einer slawischen Brüderlichkeit gingen einige tschechische Priester aus den Kronländern Böhmen und Mähren nach Istrien, darüber siehe Ivan Bartolić, Češki i Moravski svećenici u Istri od 1890. do 1930. [Tschechische und mährische Priester in Istrien vom 1890 bis 1930], in: Pazinski memorijal 19 (1995), S.  107–120. 80 Daten aus: Gemeindelexikon der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder, S.  76.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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