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Geschichte
Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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145Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Messediener die Türe zum Kirchenturm (bewusst oder nicht) zu ver- schließen vergaß, stiegen einige Dorfbewohner hinauf und schnitten sämtli- che Seile der Glocken ab. Der Bericht des Landes-Gendarmarie-Commandos beschrieb angesichts solcher Gewaltakte die Dorfbewohner als ein »bösarti- ges Volk«.254 Am 29.  März 1903 sei sogar während des von fast niemandem besuchten Gottesdienstes Kot in die Kirche geworfen worden.255 Bischof Nagl versuchte bereits Ende  Januar 1903, die Bevölkerung zu belehren. Am 25.  Januar  – am Fest der Heiligen Familie  – wandte er sich  – wie die österreichische, katholische Tageszeitung Das Vaterland schrieb  – mit einem »liebevollen, offenen, wenn auch kurzen« Hirtenbrief an die Dorfge- meinde.256 Der dem Hirtenbrief angeschlossene Kommentar vom Vaterland drückte sich diesbezüglich pathetisch aus, indem es sich fragte: »Was hat Jesus Christus, unser Erlöser der nur eine heiligmachende Kirche gestiftet hat, den Bewohnern von Ricmanje und Log denn zuleide gethan, daß sie ihn so schnöde verlassen wollen?«257 Bischof Nagl sprach in seinem Hirtenbrief selbst von »einem Schisma«, als ob das Dorf nicht nur einen Rituswechsel, das heißt den Übertritt in einen anderen katholischen Ritus gewünscht hätte: »Tief ins Herz hinein hat es mich betrübt, als ich schon vor Monaten und auch jetzt wieder hörte, daß einige von Euch ihre Mutter, die katholische Kir- che, die da ist, die allein seligmachende Kirche, verlassen und zum Schisma übertreten wollen.«258 Der gewünschte Übertritt zur griechisch-katholischen Kirche hätte kein Schisma dargestellt, weil sie ebenso dem Papst unterstellt ist. Don Požar drohte aber schon früher damit, dass ein Verbot des Übertrittes zur grie- chisch-katholischen Kirche in der Tat zum Schisma, das heißt zum Übertritt in die Orthodoxie, führen könne.259 Anfang  April 1903 entschlossen sich einige Dorfbewohner in Ricmanje, die Aufnahme in die Orthodoxie beim serbisch-orthodoxen Bischof in Zara / Zadar zu beantragen. Die Delegation von fünf Männern aus Ricmanje, die sich in die dalmatinische Stadt auf- machten, trug die Absicht vor, in die Orthodoxie überzutreten, um im Dorf altslawische oder muttersprachliche Gottesdienste einführen zu können. Der serbisch-orthodoxe Bischof von Zara / Zadar zeigte aber wenig Interesse an der Sache und lehnte das Ansuchen mit dem Argument ab, keinen Geistli- 254 Bericht des Landes-Gendarmarie-Commandos von Boljunec (3.  März 1903), in: Ebd., 1903/552. 255 Brief von Don Krančič an den Bischof Nagl (30.  März 1903), in: ADT, GO, 1903/1088. 256 Edinost, 28.  Januar 1903. 257 Das Vaterland, 4.  Februar 1903. 258 Deutsche Übersetzung des Hirtenbriefes, in: Ebd., 4.  Februar 1903. 259 Kopie vom Brief von Don Požar an den Hl.  Stuhl (20.  September 1902), in: ŽAR, Kosmač, fasc.  4 [keine weitere Nummerierung].
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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