Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Page - 176 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 176 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914

Image of the Page - 176 -

Image of the Page - 176 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914

Text of the Page - 176 -

176 Ungarisch-Kroatisches Küstenland bestochen hätten: Ihr Ziel sei die Orthodoxisierung einer sonst katholischen und kroatischsprachigen Gemeinschaft wie jener in Kriviput gewesen.15 Der Dorfpfarrer Konrad Modrčin hatte den Einwohnern zuvor vergeblich erklärt, dass die neue Sprache, in der die Gottesdienste von nun an zeleb- riert werden müssten, nicht Serbisch oder Vlachisch, sondern Altslawisch sei  – eine Sprache, welche als nationales Privileg des kroatischen, katholi- schen Volkes galt. Es handelte sich um ein kirchenrechtliches Privileg aus dem Mittelalter, das es einigen römisch-katholischen Bistümern im östlichen Adriaraum erlaubte, die Gottesdienste in altslawischer Sprache zu lesen. In vielen Pfarreien der Region, besonders im Bistum Senj, hatte sich aber seit Langem eine kirchenrechtlich illegale Praxis, die volkssprachliche Liturgie, durchgesetzt, welche kroatische und lateinische Elemente vereinigte. Diese volkssprachliche Variation hieß »Sćavet« oder »Schiavetti«.16 Im Zeitalter des Nationalismus entdeckten nationalistische Kreise das Thema der alt- slawischen Liturgiesprache als eine mögliche Form der nationalpolitischen Beherrschung der katholischen Kirche. Die altslawische Liturgiesprache wurde in den kroatisch-nationalistischen Diskursen so dargestellt, als ob sie eine Forderung der lokalen Ebene gewesen sei. Das Volk in Kriviput und spä- ter während des Sommers 1894 in anderen Dörfern im südlichen Teil vom Bistum Senj rebellierte gegen eine Sprache, auf welche es  – nach den nationa- listischen Diskursen  – eigentlich hätte stolz sein sollen. Die Menschen in Kri- viput spürten jedoch statt des Stolzes Verunsicherung: Sie waren verzweifelt darüber, dass ihr gewohntes Kirchenleben verändert wurde. Der ungarische Kultusminister, Ágoston Trefort, stellte bereits 1889  – als die Frage der altslawischen Liturgiesprache hochzukommen begann  – fest, dass sie im Gebiet des Bistums Senj immer noch im Usus sei.17 Die ungari- sche Politik hoffte darauf, dass das Volk diese Liturgiesprache nicht akzep- tieren würde. Der ungarische Ministerpräsident, Gyula von Szapáry, berich- tete 1891 etwa darüber, dass 15 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) von Senj (29.  Mai 1894), in: HDA, ZV, Pr., kut.  487, 1962/1894, broj 2845. 16 Antonio Benvin, Il glagolitico nella liturgia nella regione di Fiume [Das Glagoliti- sche in der Liturgie in der Region von Fiume / Rijeka], in: Giornata di studio sugli aspetti di vita cattolica, S.  46. 17 Trefort an den K. K. Außenminister Heinrich von Haymerle (28.  Juni 1889), in: ÖStA, HHStA, Akten zur »Slawischen Liturgie«, PA XI 260, V/1–4 (weiter: Slawische Liturgie, V/1–4), fol.  44.
back to the  book Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914"
Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Umkämpfte Kirche