Page - 193 - in Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Image of the Page - 193 -
Text of the Page - 193 -
193Konflikte
im Bistum Senj
geben unsere Kirche nicht her, und Sie werden uns keine Messen auf Vla-
chisch lesen«.96 Die Bewohner von Klanac vermieden ihre Kirche, und sie
gingen
– ähnlich wie die Menschen aus Perušić oder Aleksinac
– nach Kalud-
jerovac zur Messe.97 Der Vizegespan meinte, dass die Bewohner in Klanac
ihren Pfarrer nicht (nur) wegen der altslawischen Liturgiesprache, sondern
auch »seines angeblich unmoralischen Lebens wegen« abgelehnt hätten98 –
diese Bemerkung wurde aber im Bericht nicht weiter erläutert.
In Aleksinac war der Pfarrer, Ante Lukša, wegen des ständigen Lärms der
Bewohner vor dem Pfarrhaus um sein Leben besorgt. Ein alter Mann empfahl
ihm: »Herr, Sie dürfen nicht mehr so [altslawisch] die Messen lesen, weil das
Volk Sie ermorden wird«.99 Don Lukša zelebrierte auch in anderen Dörfern
die Messen. In Donje Pazarište waren die Angst und die Empörung wegen
der altslawischen Messe so groß, dass ein Kirchgänger dem Pfarrer, als er das
altslawische »Vaterunser« zu lesen begann, zurief: »Soll der Teufel das beten,
ich werde es nicht beten«.100 Don Lukša berichtete über Gerüchte, die sich
schon im Mai 1894 in Kriviput verbreitet hatten: die angebliche Orthodoxi-
sierung der katholischen Bevölkerung. Er machte dafür die orthodoxe Bevöl-
kerung verantwortlich. Aleksinac liegt nicht weit weg von Gospić, dem kroa-
tisch und serbisch bewohnten Hauptort der Gespanschaft. Die Menschen aus
Aleksinac gingen öfters dorthin zum Markt. Ihnen hätten die orthodoxen
Menschen dort erzählt: »die Katholiken kehrten in ihren [orthodoxen] Glau-
ben zurück«.101 Infolgedessen befürchteten die katholischen Menschen, dass
sie mit der neuen Liturgie serbisch / orthodox werden müssten. Im Herbst
1894 kamen weitere Nachrichten über Vorfälle infolge der altslawischen
Liturgiesprache. Im September wurde das neue altslawische Messbuch aus
der katholischen Kirche in Gospić in der Nacht gestohlen.102 Im November
bedrohten die Einwohner in Brušane den örtlichen Pfarrer mit dem Tod,
falls er weiterhin altslawische Messe lesen würde.103 Die Menschen in die-
sem Dorf nahe der südlichen Adriaküste von Lika-Krbava waren dabei stark
96 Bericht des Vorstehers von Klanac (20. August 1894), in: Ebd., broj 3437, fol. 25f.
[übersetzt aus dem Kroatischen von mir].
97 Bericht des Vizegespans von Lika-Krbava an das Vikariat von Senj (28. August
1894), in: Biskupski Arhiv Senj (Bischöfliches Archiv Senj, weiter: BAS), Spisi
(Schriften, weiter: Spisi), broj (Nr.) 132.
98 Bericht des Vizegespans von Lika-Krbava (28. August 1894), in: HDA, ZV, Pr.,
kut. 487, 1657/1894, broj 10749, fol. 17f. [übersetzt aus dem Kroatischen von mir].
99 Brief von Don Lukša (22. August 1894), in: Ebd., broj 149, fol. 32f. [übersetzt aus
dem Kroatischen von mir].
100 Ebd. [übersetzt aus dem Kroatischen von mir].
101 Ebd., fol. 31 [übersetzt aus dem Kroatischen von mir].
102 Bericht des Vizegespans in Gospić (14. September 1894), in: Ebd., broj 11455.
103 Bericht der Bezirksverwaltung (kotarska oblast) in Gospić (13. November 1894), in:
HDA, ZV, Pr., 1962/1894, broj 10056.
back to the
book Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914"
Umkämpfte Kirche
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Title
- Umkämpfte Kirche
- Subtitle
- Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
- Author
- Péter Techet
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35696-4
- Size
- 15.9 x 23.5 cm
- Pages
- 310
- Keywords
- Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
- Danksagung 13
- Vorwort 15
- 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
- 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
- 3. Österreichisches Küstenland 85
- 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
- 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
- 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
- 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
- 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
- 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
- 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
- 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
- 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
- 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
- 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
- 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
- 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
- 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
- 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
- Ausblick 257
- Quellen- und Literaturverzeichnis 263
- Archivmaterial 263
- Bibliotheken 265
- Zeitungen 265
- Digitale Sammlungen 267
- Zeitgenössische Literatur 267
- Sekundärliteratur 268
- Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
- Personen 295
- Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
- Abkürzungen 299
- Register 301
- 1. Ortsregister 301
- 2. Personenregister 303