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Geschichte
Vor 1918
Umkämpfte Kirche - Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
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248 Konfliktdynamiken Nicht nur national, sondern auch religiös indifferent wurden einige Taten lokaler Akteure wahrgenommen. Wenn sich Kirchgänger in den Dörfern von Lika-Krbava weigerten, altslawische Messen zu besuchen, oder wenn die katholischen Dorfbewohner in Drenova Taufen ohne Priester organi- sierten, oder wenn mehrere Menschen in Ricmanje, Log und Boljunec aus der römisch-katholischen Kirche austraten, wurden sie als »religiös indif- ferent« oder sogar »antireligiös«, »antikatholisch« beschrieben. In Drenova oder stärker in Ricmanje erfreuten sich die Dorfbewohner deswegen einer fragwürdigen Beliebtheit in den antiklerikalen, sogar atheistischen Diskur- sen, die die Akte der Dorfbewohner (besonders die »zivil« gehaltenen, »reli- giös« gemeinten Zeremonien oder die Über- und Austritte) als Zeichen einer lokalen Säkularisierung, als Abkehr von der Religiosität verstanden und lob- ten. Diesen Diskursen lag ebenso eine dichotomische Logik zugrunde wie der Bipolarität »Nationalismus oder nationale Indifferenz«: Entweder seien die Menschen »gute Katholiken« (falls sie den klerikalen Erwartungen der kirchlichen Obrigkeiten folgten), oder sie seien »religiös indifferent« / »säku- larisiert« / »antikatholisch« / »atheistisch« (falls sie von diesen klerikalen Erwartungen abwichen). In einer solchen Perspektive geht aber gerade die eigentliche Intention der lokalen Akteure verloren, die weder die klerikalen Erwartungen hundertprozentig erfüllen noch den katholischen Glauben aus antiklerikalen oder ähnlichen Gründen verlassen wollten. Wie lassen sich aber die priesterlos durchgeführten, »religiös« gemeinten Zeremonien in Ricmanje oder Drenova begreifen? Bedeuteten sie nicht eine klare Abkehr von der Religiosität, also eine Art Säkularisierung der ländli- chen Ebene? Mit den »zivilen« Zeremonien wurde die Religion  – im Sinne von Niklas Luhmann20  – privatisiert, das heißt einer breiteren Auslegung freigegeben. Ich begreife  – in Anlehnung an die diesbezügliche Theorie von Christoph Kleine  – die »zivilen«, pseudo- oder semireligiösen Zeremonien als non-konforme Handlungen, die sich zwar religiös verstanden, aber kei- nen Normen einer institutionalisierten Religiosität (das heißt einer Kirche) fügten. Kleine führt die Begrifflichkeit von »religiöser Nonkonformität« und »religiösem Nonkonformismus« ein. Während die »religiöse Nonkonfor- mität« normabweichendes Handeln innerhalb einer akzeptierten Ordnung bedeutet, definiert Kleine den »religiösen Nonkonformismus« als wertra- tionale Gesinnung oder Handlung, die die bestehende Ordnung ablehne oder sie sogar beseitigen wolle.21 Der »religiöse Nonkonformismus« leugnet also die Legitimität der bestehenden Ordnung.22 Im Gegensatz zum »religi- 20 Luhmann, Die Religion der Gesellschaft, S.  224. 21 Christoph Kleine, »Religiöser Nonkonformismus« als religionswissenschaftliche Kategorie, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft 23 (2015), S.  3–34, hier S.  11f. 22 Ebd., S.  17.
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Umkämpfte Kirche Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Title
Umkämpfte Kirche
Subtitle
Innerkatholische Konflikte im österreichischungarischen Küstenland 1890–1914
Author
Péter Techet
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35696-4
Size
15.9 x 23.5 cm
Pages
310
Keywords
Kirche, Religion, Österreich, Kaiserzeit
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Bemerkung zu den Personen- und Ortsnamen 11
  2. Danksagung 13
  3. Vorwort 15
  4. 1. Einführung: Konzept, Verortung, Methode 19
    1. 1.1 Thematische, räumliche und zeitliche Einordnung der Forschungsfrage 22
      1. 1.1.1 Forschungsfrage 22
      2. 1.1.2 Innerkatholische Gewaltmomente im Kontext der »Nationalitätenfrage« 23
      3. 1.1.3 Historiographie von Nation und Religion: Nationalismus oder nationale Indifferenz? 27
      4. 1.1.4 Räumliche Verortung 37
      5. 1.1.5 Zeitlicher Fokus 45
    2. 1.2 Methode und Konzepte 45
      1. 1.2.1 Mikrogeschichte mit vergleichender Kontextualisierung 45
      2. 1.2.2 »Identifizierung« 48
      3. 1.2.3 Gewalt 49
    3. 1.3 Quellenlage und Aufbau der Arbeit 52
      1. 1.3.1 Quellenlage 52
      2. 1.3.2 Aufbau der Arbeit 56
  5. 2. Imperium, Nation und Katholizismus in der Habsburgermonarchie 59
    1. 2.1 Imperium und Nation 61
      1. 2.1.1 Österreich als Rechtsordnung für seine Völker 61
      2. 2.1.2 Ungarn als Imperium der magyarischen Elite 66
    2. 2.2 Katholizismus und Nation 70
      1. 2.2.1 Unterschiedlicher Stellenwert des Katholizismus 71
      2. 2.2.2 Die Sprache der Liturgie: Glagoljica im oberadriatischen Raum 75
  6. 3. Österreichisches Küstenland 85
    1. 3.1 Konflikte um die Nationalisierung des kirchlichen Raumes in Istrien 88
      1. 3.1.1 Istrien: Ethnische Vielfalt und religiöse Homogenität 90
      2. 3.1.2 Konfliktgeschichten: Angegriffene Priester, zerstrittene Kirchengemeinden 96
      3. 3.1.3 Konfliktanalyse: Nationalisierbare Konfliktlinien 115
      4. 3.1.4 Historischer Kontext: Supranationales Selbstverständnis der Kirche 122
    2. 3.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Triest 126
      1. 3.2.1 Ricmanje: Slowenischsprachiges Dorf an der sprachkulturellen Grenze zu Triest 126
      2. 3.2.2 Konfliktgeschichte: Vom Kampf um die Pfarrei bis zum Kampf gegen die Kirche 130
      3. 3.2.3 Konfliktanalyse: Situative Identifizierungen auf mehreren Konfliktebenen 161
      4. 3.2.4 Historischer Kontext: Lokaler Widerstand gegen kirchliche Vereinheitlichung 165
    3. 3.3 Fazit: Konkurrierende und proaktive Selbstbehauptung ländlicher Katholiken 168
  7. 4. Ungarisch-Kroatisches Küstenland 171
    1. 4.1 Konflikte um und gegen die altslawische Liturgiesprache im Bistum Senj 174
      1. 4.1.1 Einführung der altslawischen Liturgiesprache in der ehemaligen Militärgrenze 174
      2. 4.1.2 Konfliktgeschichte: Lokaler Widerstand gegen die altslawische Liturgiesprache 182
      3. 4.1.3 Konfliktanalyse: Nationale Indifferenz oder antiserbischer Hass? 195
      4. 4.1.4 Historischer Kontext: Altslawische Sprache als nationales Thema 203
    2. 4.2 Kirchenstreit im ländlichen Hinterland der Hafenstadt Fiume / Rijeka 207
      1. 4.2.1 Drenova: Kroatischsprachige Gemeinde in einem multiethnischen Raum 207
      2. 4.2.2 Konfliktgeschichte: Abwehr kirchlicher Einmischungen 212
      3. 4.2.3 Konfliktanalyse: Nationalistische Erwartungen aus der Stadt 227
      4. 4.2.4 Historischer Kontext: Staat / Stadt-Kirche-Konflikt in und um Fiume / Rijeka 231
    3. 4.3 Fazit: Reaktiver Selbstschutz ländlicher Katholiken 236
  8. 5. Konfliktdynamiken: Nationale Nonkonformität und religiöse Peripherie 241
    1. 5.1 Nationalitätenkonflikt? 242
      1. 5.1.1 Intraethnische Konflikte 242
      2. 5.1.2 Nationale und / oder religiöse Indifferenz? 246
    2. 5.2 Erfolgschancen der lokalen Akteure 250
      1. 5.2.1 Interessenartikulation in Österreich und Ungarn 250
      2. 5.2.2 Antihierarchische (soziale) Gewalt 253
  9. Ausblick 257
  10. Quellen- und Literaturverzeichnis 263
  11. Archivmaterial 263
  12. Bibliotheken 265
  13. Zeitungen 265
  14. Digitale Sammlungen 267
  15. Zeitgenössische Literatur 267
  16. Sekundärliteratur 268
  17. Ortsnamen in den landesüblichen Sprachen 289
  18. Personen 295
  19. Verzeichnis von Abbildungen, Karten und Tabellen 297
  20. Abkürzungen 299
  21. Register 301
  22. 1. Ortsregister 301
  23. 2. Personenregister 303
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