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3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung
Ernst Lothar 1 wurde am 25. Oktober 1890 als dritter Sohn des 40-jährigen
Rechtsanwalts und »Vizepräsidenten der mährischen Advokatenkammer« 2 Josef
Müller und seiner 33-jährigen Frau Johanna in Brünn geboren. Er schildert
sich selbst als eher kränk
liches Kind, das eben aufgrund seiner »Anfälligkeit für
ansteckende Krankheiten« viel Zeit mit sich allein verbrachte. Die Eltern, die
er als »ernsthaft« und »das Lachen nicht gewohnt« beschreibt, erschienen ihm
nicht als die geeigneten Ansprechpersonen.3 Lothars Haltung seinen Eltern
gegenüber wirkt ambivalent, der monarchistisch gesinnte Vater wird als »streng,
aber gerecht« wahrgenommen, die Mutter, die unter schweren Depressionen litt,
sieht in ihm seiner Meinung nach den Ersatz für die Tochter, »die ein Jahr zuvor
gestorben war«.4 Seine Vertrauensperson scheint sein Bruder Hans gewesen zu
sein, der allerdings ab Lothars elftem Lebensjahr in Wien studierte und nur in
den Ferien nach Hause kam.5
Nachdem Lothar die diversen Kinderkrankheiten glück
lich überstanden und
die Grundschule, die »Kronprinz Rudolf Volks- und Bürgerschule für Knaben« 6,
absolviert hatte, machte er »weder zu gut noch zu schlecht« die Aufnahmeprü-
fung für das Erste Deutsche Gymnasium in Brünn. Die Zeugnisse verzeich-
neten unter Muttersprache »Deutsch«, unter Religionsbekenntnis »mosaisch«,
und durch all seine Gymnasialjahre bekam Lothar in Mathematik und Turnen
im Vergleich zu den anderen Fächern die schlechtesten Noten. 1904/05 über-
siedelte er mit seiner Familie aus der Brünner Jesuitengasse nach Wien in die
1 Eigent lich Lothar Ernst Müller (vgl. Heimatschein Josef Müller, Stadtarchiv Brünn), in der
Folge wird sein aus den beiden Vornamen bestehendes Pseudonym verwendet.
2 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 16.
3 Ebd., S. 12.
4 Ebd., S. 11 f. – Lothars Schwester Marianna wurde am 17. Juli 1886 geboren (vgl. Heimatschein
Josef Müller, Stadtarchiv Brünn), wann das Mädchen verstorben ist, ließ sich nicht eruieren
(nach Ernst Lothars Angaben müsste das Todesjahr 1889 sein; vgl. EL: Das Wunder des Über-
lebens, S. 12).
5 Interessant ist, dass Lothar in dem autobiographischen Roman seines Bruders Hans, Jugend in
Wien (1948), kein einziges Mal erwähnt wird, obgleich die Besuche bei der Familie in Brünn
beschrieben werden. Allerdings erfährt man hier von der Existenz des ältesten Bruders Robert
auch nur in einem Nebensatz.
6 EL: Nähe und Ferne, S. 120; EL: Das Wunder des Überlebens, S. 372.
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478