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unerwünschter Personen und begann im Januar 1939 mit der Errichtung von
speziellen Internierungslagern. Zernatto warnte Lothar, dass man die österrei-
chischen Emigranten wohl in Gurs internieren werde.72 Doch Ernst Lothar und
die Seinen hatten Glück: Ihre Amerika-
Visa waren zu diesem Zeitpunkt bereits
erteilt, der Überfahrt stand nichts mehr im Wege. Adrienne hatte schon am
19. Dezember 1938 ein »Immigra
tion Visa« erhalten,73 Lothar und seine Tochter
bekamen das wichtige Sauf- Conduit 74 für Amerika im März 1939. Am 9. April
ging es an Bord der SS Île de France von Le Havre nach New York;75 für die
Überfahrt kam Lothars Bruder Hans auf.76
6.2 Eine »Österreichische Bühne« in New York
Am 19. April 1939 kamen Lothar und seine Familie in New York an 77 und wurden
am Pier von Franz Horch empfangen,78 der ihnen eine vorläufige Unterkunft
organisierte. Bald darauf mieteten sich die drei ein Zimmer im 16. Stock in
der 19 East 88th Street. Am 17. Mai 1939 meldete sich Ernst Lothar beim U. S.
72 Das Camp de Gurs am Rande der Pyrenäen wurde im April 1939 errichtet und war bereits
vor dem Zweiten Weltkrieg das größte franzö sische Internierungslager (es wurde zunächst für
politische Flüchtlinge und Spanienkämpfer genutzt). Vgl. Michael Philipp (Hg.): Gurs. Ein
Internierungslager in Südfrankreich 1939 – 1943.
73 Vgl. Österreichischer Reisepass Adrienne Gessner, ausgestellt am 14. März 1935. WBR, ZPH 922a.
74 Das Sauf-
Conduit war ein Dokument, das es den Flüchtlingen erlaubte, ihren Aufenthaltsort
zu verlassen.
75 Vgl. Adrienne Gessner: Ich möchte gern was Gutes sagen, S. 118. – Laut Alma Mahler-
Werfel
ist der Tag der Abreise Lothars nach Amerika der 11. April 1939 (Carl-
Zuckmayer-
Gesellschaft
(Hg.): Zuckmayer- Jahrbuch, S. 115).
76 Vgl. Brief von Hans Müller an EL. Mie, 20. März 1939. WBR, ZPH 922a.
77 Pem’s personal Bulletins, 19. 4. 1939, S. 21. – Horst Richardson nennt in seiner kurzen Abhandlung
über Lothars Tätigkeit am Colorado College den 21. April als Ankunftsdatum (Ernst Lothar at
Colorado College, S. 14).
78 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 148. Gessner erwähnt in ihren Memoiren, dass auch der
aus dem KZ Dachau entkommene Raoul Auernheimer sechs Stunden am Pier auf ihre Ankunft
gewartet hatte (Adrienne Gessner: Ich möchte gern was Gutes sagen, S. 121). – Franz Horch, der
zunächst als Literaturkritiker für die Neue Freie Presse sowie als Dramaturg in Wien bei Lothar
und in Berlin gearbeitet hatte, war Anfang der 1930er Jahre im Paul Zsolnay Verlag tätig und
selbst erst 1938 in New York angekommen. Hier entfaltete er in den darauffolgenden Jahren
seine Tätigkeit als Literaturagent, u. a. für Thomas Mann, Franz Werfel und Upton Sinclair.
Unterstützt wurde er dabei von seiner Frau Marie, die nach seinem Tod 1951 die gemeinsam
aufgebaute Agentur übernehmen sollte. 1938 – 1946:
Exil150
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478