Seite - 213 - in Ernst Lothar - Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
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In Ernst Lothars neuem Roman entdeckt ein Wiener Hitler-
Junge das Menschen-
recht. Er entdeckt es auf dem Umwege ausweglos erlittenen Unrechts. Nach des
Richters Meinung also auf dem geradesten Weg zu Erkenntnis und Reue. Trotz des
Happy- Ends amerikanischer Fairness ist es ein Michael- Kohlhaas-
Weg und stoff ich
wie lo
gisch ist das Tempo der Erzählung dabei ein außerordent
liches. Sie führt in das
Wiener Theresianum der Nazi-
Zeit wie in ein U. S.-Kriegsgefangenenlager und ent-
rollt hier wie dort das Problem einer ganzen Genera tion von »Zufalls«-Nazis (durch
Jugend und Gedankenschuld). Das Buch will keine Apologie sein […]. […] Es rührt
die Frage der »juristischen« Schutzlosigkeit reuiger deutscher Kriegsgefangener nur
nebenbei an und doch erregend auf.395
Als The Prisoner ein Jahr nach seinem wohl bekanntesten und erfolgreichsten
Roman The Angel with the Trumpet erschien, lebte Lothar bereits wieder in New
York City.
6.5 Tätigkeiten in Exilorganisationen und
Vorbereitungen zur Rückkehr nach Österreich
Seit Herbst 1943 waren Lothar und seine Frau wieder in New York anzutreffen,
hatten sie sich doch dazu entschieden, hier die für die Einbürgerung notwen-
digen »final papers« zu beantragen. Im Oktober waren sie im Hotel Gladstone
abgestiegen, wo ihnen immer wieder Max Reinhardt und Eleonore von Men-
delssohn begegneten. Als Reinhardt dann Ende des Monats an den Folgen
eines Schlaganfalls verstarb, wurde Ernst Lothar auserkoren, die Gedächtnis-
rede bei der Max- Reinhardt- Gedenkfeier am 30. November 1943 in der New
Yorker Carnegie Hall zu halten,396 sein Nachruf auf den »Direktor des Theaters
der Deutschen« wurde im Aufbau veröffent licht.397
395 Ludwig Ullmann: Ein Wiener Hitler-
Junge in Amerika. Ernst Lothar: »The Prisoner«. In:
Aufbau, 1. 6. 1945, S. 12.
396 Vgl. Aufbau, 19. 11. 1943, S. 5 und 3. 12. 1943, S. 12. In Lothars Nachlass findet sich ein Typoskript
zu dieser Rede. EL: In memoriam Max Reinhardt. Commemorative address delivered in
Carnegie Hall on 30. 11. 1943. WBR, ZPH 922a.
397 Vgl. EL: Der Direktor des Theaters der Deutschen. Nachruf auf Max Reinhardt. In:
Aufbau, 5. 11. 1943, S. 3. – Lothar hatte auch 1946, 1948 und 1953 bei Max- Reinhardt-
Gedenkveranstaltungen den Part des Redners inne.
Tätigkeiten in Exilorganisationen und Vorbereitungen zur Rückkehr nach Österreich 213
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478