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4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker,
die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 1
4.1 Kritiker und Kulturfunktionär
Ende Juli 1925 beendete Lothar seine Beamtenlaufbahn, ab dem 1. August war er
bei der Neuen Freien Presse als Redakteur angestellt. Ernst Benedikt, der Mitte
März 1920 nach dem Tod seines Vaters Moriz als Chefredakteur und Heraus-
geber die Geschäftsführung des Blattes übernommen hatte, holte Lothar im
Oktober 1923 in das Redak
tionsteam, und zwar zunächst als freien Mitarbeiter.2
Ab 1925 war Ernst Lothar vor allem als Theaterkritiker für die Neue Freie Presse
tätig, schrieb aber auch weiterhin Feuilletons, Film- und Literaturbesprechun-
gen für die damals durchschnitt lich 72.000 Leser der Zeitung.
Lothar, für den Theater eine »militante Auseinandersetzung mit dem Leben,
wo es am menschlichsten ist«, bedeutet und ein »geistiger Kampfplatz« sein soll,
war der Ansicht, dass Theaterkritik »dienen« solle: Sie habe »keine herrschende,
sondern eine den Aufgaben des öffent
lich urteilenden Richters verwandte Funk-
tion zu sein und bleibt von Unpartei lichkeit bedingt«.3 Diese Unpartei
lichkeit
würde es auch verbieten, dass ein Theaterkritiker gleichzeitig Autor des Theaters
ist, das er zu beurteilen hat, meinte Lothar mehrfach.4
Bei einem interna tionalen Kritikerkongress in Bukarest löste er eine Welle
der Empörung aus, als er verlangte, dass niemand Theaterkritiker werden dürfe,
der selber Stücke schreibe, da die Kritiker ihre Stücke aufgeführt sehen woll-
ten und »daher den Direktor und die Schauspieler bei Laune halten müßten« 5.
Auch bei einem weiteren Kongress in Prag, bei dem er »sich entschieden gegen
die Kommerzialisierung des Standes« verwahrte, gingen seine Forderungen in
diese Richtung.6 Die Frage, wie verhindert werden könne, dass einige Kritiker
die Berufstätigkeit mit ihren privaten Interessen als Dramatiker vermischen,
1 Raoul Auernheimer: Der »Bruderzwist« im Burgtheater. In: Neue Freie Presse, 23. 10. 1932, S. 1 ff.,
hier S. 3.
2 Vgl. Pensionsakt Ernst Lothar. WBR, ZPH 922a; EL: Das Wunder des Überlebens, S. 48.
3 Vgl. EL: Das Wunder des Überlebens, S. 49 ff.
4 Vgl. etwa EL: Kritik der deutschen Theaterkritik. In Brünner Tagesbote, 29. 11. 1925, S. 53.
5 EL: Das Wunder des Überlebens, S. 48.
6 Brünner Tagesbote, 21. 9. 1930, S. 9. Vgl. auch EL: Kritiker-
Kongreß in Prag. In: Hamburger
Fremdenblatt, o. D. [September/Oktober 1930], S. 1 f.
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Ernst Lothar
Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Ernst Lothar
- Untertitel
- Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender
- Autor
- Dagmar Heißler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20145-8
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 484
- Schlagwörter
- österreichischer Schriftsteller, unveröffentlichte Werke und Korrespondenz, literarische Einflüsse und Beziehungen, Rezeption, Emigration, Theater
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Quellenlage 15
- 3. 1890 – 1925: Literarische Nachwuchshoffnung 27
- 4. 1925 – 1935: »Einer jener Kritiker, die auch ein Stück Theaterdirektor sind« 53
- 5. 1935 – 1938: Theater in der Josefstadt – Max Reinhardts »rechte Hand und linker Fuß« 99
- 6. 1938 – 1946: Exil – »Emigrieren ist eine Sache für junge Menschen, die sich nicht erinnern« 135
- 7. 1946 – 1950: Rückkehr – »… und in Lothars Lager war Österreich« 243
- 8. 1950 – 1959: »Von allen meinen Kritikern bin ich der unerbittlichste« 293
- 9. 1959 – 1974: »… und so muss ein Stückchen Torso für ein Stückchen Ganzes gelten« 335
- 10. Schluss 373
- Literaturverzeichnis 385
- Anhang 415
- Bibliographie Ernst Lothar 415
- Selbstständige Publikationen 415
- Unselbstständige Publikationen 421
- Inszenierungen 464
- Zeittafel 467
- Personenregister 473
- Werkregister 478