Seite - 17 - in Religion, Medien und die Corona-Pandemie - Paradoxien einer Krise
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«Wir sitzen zu Hause und draußen geht die Welt unter»
Daria Pezzoli-Olgiati, Anna-Katharina Höpflinger
Im Zeitraum, in dem die Arbeit an diesem Band begann, fanden wichtige
religiöse Feste statt: die christlichen Kar- und Osterliturgien in den ver-
schiedenen konfessionellen Ausprägungen wurden aus leeren Gotteshäu-
sern gestreamt; auch die Pessah- und Ramadan-Rituale und -feiern muss-
ten der epidemischen Lage angepasst werden. Während Moscheen, Syn-
agogen, Kirchen und Tempel geschlossen waren, wurde die religiöse Aus-
übung in den privaten und in den virtuellen Raum verlegt. Religiöse All-
tagspraktiken und Übergangsrituale mussten ebenfalls adaptiert oder aus-
gesetzt werden. Sogar Beerdigungen waren nicht mehr oder nur noch in
stark reduzierter Form möglich. Das sind o!ensichtliche Beispiele der Ver-
änderungen, die die Pandemie mit sich gebracht hat. Protagonisten dieser
Transformationen sind die digitalen Medien, die (religiöse) Vernetzung
auf eigene Weise gestalten.
Während wir zu Hause saßen, ging die Welt nicht unter. Doch wurde
der Lebensraum grundsätzlich auf unsere Wohnungen eingeschränkt, und
von dort übten wir unsere Tätigkeit als Dozentinnen und Forscherinnen
via elektronischer Medien weiter aus. Der Zugang zum ö!entlichen, be-
gehbaren Raum war uns verwehrt. Die Verbreitung der Krankheit und
ihre Folgen konnten wir nur medial beobachten: der Papst, der alleine auf
dem leeren Petersplatz betet oder im menschenleeren Rom herumläu#;
eine Bestattungsfirma, die für die Vorteile von durch iPads vermittelten
Zeremonien wirbt; Bilder von Massengräbern in New York, die mit Bag-
gern vorbereitet werden; bekannte Pastoren, die via YouTube ihre Ge-
meinde ansprechen; Verschwörungstheoretiker, die versuchen, ihre Erklä-
rungen plausibel zu machen; virtuelle Ausstellungen von Karikaturen zum
Coronavirus. Die disparate Liste dessen, was man in Bezug auf Medien,
Religion und die Pandemie im April 2020 beobachten konnte, ist unend-
lich. Wie wählt man hier etwas Bedeutsames aus?
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https://doi.org/10.5771/9783748922216, am 10.02.2021, 12:13:48
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
Religion, Medien und die Corona-Pandemie
Paradoxien einer Krise
- Titel
- Religion, Medien und die Corona-Pandemie
- Untertitel
- Paradoxien einer Krise
- Autor
- Daria Pezzoli-Olgiati
- Herausgeber
- Anna-Katharina Höpflinger
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-2221-6
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 134
- Kategorien
- Coronavirus
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 7
- Fahren auf Sicht im Nebel des notwendig Undeutlichen 11
- Wenn jetzt alles anders ist, wie ist es denn immer gewesen? 13
- «Wir sitzen zu Hause und draußen geht die Welt unter» 17
- Gemeinscha!en in Isolation 23
- Leere Tempel, volle Livestreams in China 27
- Digitale Au!ührungen des Ausnahmezustands 35
- Ambivalente Deutungen des Virus in Facebook-Communities 41
- Krise und Solidarität im öffentlichen Raum 49
- Solidarität zwischen Kirche und Suppenküche 51
- Leid und Hoffnung einer Nation im Grati 59
- Unterhaltung in der Pandemie 67
- Lieder zwischen Krisenbewältigung und Entertainment 69
- Witz und Religionskritik in Internet-Memes 77
- Der Tod als mediale Inszenierung 85
- Einsamer Abschied vor aller Welt 87
- Das Virus ist unsichtbar, der Tod ganz konkret 93
- Wirklichkeitsdeutung zwischen Fakten und Fake News 101
- Erlösung durch Kapitalismus 103
- Die Verschwörung(en) hinter der Pandemie 111
- Ausblicke ins Ungewisse 119
- Die Pandemie als Ritual – ein Gedankenspiel 121
- Prophetische Metaphern der postpandemischen Zeit 127
- Abbildungsverzeichnis 133