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Leid und Ho!nung einer Nation im Gra"ti
Hannah Griese
In Zeiten der Corona-Krise gewinnt die Idee der Nation an Bedeutung:
Grenzen werden geschlossen, jeder Staat hil# zunächst vor allem sich
selbst. Politiker:innen und Medien appelieren an die Solidarität der Bür-
ger:innen und inszenieren die Nation als eine Leidens- und Schicksalsge-
meinscha#, die in der Krise zusammenhält. Medien spielen eine wichtige
Rolle bei der Konstruktion von nationalen Gemeinscha#en, indem sie Ge-
fühle der Gemeinsamkeit und Zusammengehörigkeit vermitteln. Auch
während der Pandemie thematisieren verschiedene mediale Gattungen
(nationalen) Zusammenhalt, wobei sie mitunter auf religiöse Motive zu-
rückgreifen. Dieser Beitrag widmet sich einer besonderen Art von Bildern,
dem Gra"ti.
Rund um die Welt entstehen zurzeit zahlreiche Streetart-Werke, die sich
mit der Corona-Krise auseinandersetzen. Immer wieder finden sich dabei
Darstellungen von (vorwiegend weiblichem) Krankenhauspersonal, wobei
häufig auf religiöse Symbole und Motive zurückgegri!en wird. Diese
Kunstwerke, die im weitesten Sinne des Begri!s als «Gra"tis» bezeichnet
werden können, befinden sich im ö!entlichen Raum, doch ihre große
Reichweite erhalten sie durch ihre mediale Verbreitung: Sie werden foto-
grafiert, über soziale Medien, Zeitungen oder Nachrichtenkanäle verbrei-
tet und erreichen somit ein globales Publikum.
Ende April 2020 wurde die Fotografie eines Gra"tis aus der norditalie-
nischen Stadt Bergamo auf Twitter gepostet (Abb. 10). Es zeigt eine Frau
in Krankenhauskleidung und mit Flügeln, die den kartografischen Umriss
Italiens in den Armen hält. Dabei handelt es sich um die Vergrößerung ei-
nes digitalen Ölgemäldes des italienischen Künstlers Franco Rivolli mit
dem Namen Angels, das auch unter dem Titel La dottoressa che culla l’Italia
(Die Ärztin, die Italien wiegt) bekannt geworden ist. Das Poster befindet
sich an der Fassade des Papa Giovanni XXIII. Krankenhauses in Bergamo.
Es erreichte insbesondere in Italien große Beachtung.
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https://doi.org/10.5771/9783748922216, am 10.02.2021, 12:13:48
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
Religion, Medien und die Corona-Pandemie
Paradoxien einer Krise
- Titel
- Religion, Medien und die Corona-Pandemie
- Untertitel
- Paradoxien einer Krise
- Autor
- Daria Pezzoli-Olgiati
- Herausgeber
- Anna-Katharina Höpflinger
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-2221-6
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 134
- Kategorien
- Coronavirus
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 7
- Fahren auf Sicht im Nebel des notwendig Undeutlichen 11
- Wenn jetzt alles anders ist, wie ist es denn immer gewesen? 13
- «Wir sitzen zu Hause und draußen geht die Welt unter» 17
- Gemeinscha!en in Isolation 23
- Leere Tempel, volle Livestreams in China 27
- Digitale Au!ührungen des Ausnahmezustands 35
- Ambivalente Deutungen des Virus in Facebook-Communities 41
- Krise und Solidarität im öffentlichen Raum 49
- Solidarität zwischen Kirche und Suppenküche 51
- Leid und Hoffnung einer Nation im Grati 59
- Unterhaltung in der Pandemie 67
- Lieder zwischen Krisenbewältigung und Entertainment 69
- Witz und Religionskritik in Internet-Memes 77
- Der Tod als mediale Inszenierung 85
- Einsamer Abschied vor aller Welt 87
- Das Virus ist unsichtbar, der Tod ganz konkret 93
- Wirklichkeitsdeutung zwischen Fakten und Fake News 101
- Erlösung durch Kapitalismus 103
- Die Verschwörung(en) hinter der Pandemie 111
- Ausblicke ins Ungewisse 119
- Die Pandemie als Ritual – ein Gedankenspiel 121
- Prophetische Metaphern der postpandemischen Zeit 127
- Abbildungsverzeichnis 133