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Religion, Medien und die Corona-Pandemie - Paradoxien einer Krise
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Geschichtlich virulent wurde «Unbehaustheit» durch das literarische Werk von Hans Egon Holthusen. In den 1950er Jahren verö!entlichte er eine Sammlung von Essays unter dem Titel Der unbehauste Mensch. Im Nachkriegsdeutschland verarbeitete der umstrittene Autor die gesellscha#- lich umwälzenden Erfahrungen des Nationalsozialismus und die damit verbundene kollektive Orientierungslosigkeit eines ganzen Landes. Die Metapher wurde dabei auf die historische Lebenserfahrung einer zerstör- ten Welt bezogen. Transportiert wurde damit die kollektive Frage, wie sich der Mensch in einer haltlosen und lebensfeindlichen Wirklichkeit zurecht- finden kann. Auf dieser Linie repräsentiert «Unbehaustheit» die Menschheit als eine unklassifizierbare und hilflose Spezies, die zwischen Natur und Kultur ge- fangen ist. Zur religiösen Rahmung dieser Metapher trugen weitere Texte bei. So beschreibt sich Goethes Faust im gleichnamigen Werk als der «Un- behauste». Damit wird Fausts Orientierungsbedür#igkeit betont; im Dia- log mit Mephistopheles stilisiert er sich als den von Gott verlassenen Flüchtling, der nach Orientierung und Führung sucht. Im Kontrast zur wohlwollenden «Schöpfung» beschreibt «Unbehaustheit» die Lebenswirk- lichkeit des Menschen als chaotisch und unkontrollierbar. In Meyers Arti- kel wird diese religiös und literarisch aufgeladene historische Metapher mit der Ho!nung auf eine gerechte postpandemische Welt verknüp#. Die Anspielung auf die vermisste Geborgenheit evoziert ein religiöses Vertrau- en auf eine eschatologische Wirklichkeit, in der der Mensch beheimatet und behaust sein wird. Die Metaphern der Pandemie Absolute Metaphern haben innerhalb der Pandemie Hochkonjunktur. An den von mir illustrierten Beispielen, aber auch an den zahlreichen Belegen in den vorangegangenen Artikeln dieses Buches wird sichtbar, welche Auf- gaben Metaphern innerhalb der Pandemie zukommen. Sie verhelfen uns zur Orientierung in einer unübersichtlichen Erfahrung. Ihre transzendente Dimension ermöglicht es, die pandemischen Ereignisse in einen Sinnhori- zont zu situieren. Sie scha!en Bewältigung und Entlastung im Angesicht der Krise. Spezifisch religiös konnotierte Metaphern erleichtern dies durch ihre Anspielungen auf eine sinnha#e postpandemische Zukun#. Da sie mit vorhandenen Bedeutungen arbeiten, sind sie verständlich: Sie appellie- ren an das kulturelle Vorwissen der Rezipient:innen und steuern damit die Lesbarkeit der Welt. Metaphern operieren als Propheten, die eine bessere Welt ankündigen. Sie sind sprachliche Sinn- und Ho!nungsträger und Prophetische Metaphern der postpandemischen Zeit 131 https://doi.org/10.5771/9783748922216, am 10.02.2021, 12:13:48 Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Religion, Medien und die Corona-Pandemie Paradoxien einer Krise
Titel
Religion, Medien und die Corona-Pandemie
Untertitel
Paradoxien einer Krise
Autor
Daria Pezzoli-Olgiati
Herausgeber
Anna-Katharina Höpflinger
Verlag
Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-7489-2221-6
Abmessungen
15.3 x 22.7 cm
Seiten
134
Kategorien
Coronavirus
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 7
  2. Fahren auf Sicht im Nebel des notwendig Undeutlichen 11
  3. Wenn jetzt alles anders ist, wie ist es denn immer gewesen? 13
  4. «Wir sitzen zu Hause und draußen geht die Welt unter» 17
  5. Gemeinscha!en in Isolation 23
  6. Leere Tempel, volle Livestreams in China 27
  7. Digitale Au!ührungen des Ausnahmezustands 35
  8. Ambivalente Deutungen des Virus in Facebook-Communities 41
  9. Krise und Solidarität im öffentlichen Raum 49
  10. Solidarität zwischen Kirche und Suppenküche 51
  11. Leid und Hoffnung einer Nation im Grati 59
  12. Unterhaltung in der Pandemie 67
  13. Lieder zwischen Krisenbewältigung und Entertainment 69
  14. Witz und Religionskritik in Internet-Memes 77
  15. Der Tod als mediale Inszenierung 85
  16. Einsamer Abschied vor aller Welt 87
  17. Das Virus ist unsichtbar, der Tod ganz konkret 93
  18. Wirklichkeitsdeutung zwischen Fakten und Fake News 101
  19. Erlösung durch Kapitalismus 103
  20. Die Verschwörung(en) hinter der Pandemie 111
  21. Ausblicke ins Ungewisse 119
  22. Die Pandemie als Ritual – ein Gedankenspiel 121
  23. Prophetische Metaphern der postpandemischen Zeit 127
  24. Abbildungsverzeichnis 133
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