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Schulleiter, den Sergeanten und den Wachtmeister. Hier tappte man im
dunkeln. Sollte man seine Beflissenheit in Trebitschs Dienste stellen oder
dem Detektiv Klitsche widmen? Wer kannte sich hier aus?
Theodor ging planlos durch die Straßen, mit rastlos leerlaufendem Eifer
angefüllt. Er empfand die Notwendigkeit, seiner Beflissenheit ein sichtbares
Gebiet zu erobern, deutliche Erfolge zu konstatieren. Vor einem Schaukasten
eines Photographenateliers Unter den Linden blieb er stehen. Hier hing das
farbige Bild des Generals Ludendorff, ein Paradestück des Photographen.
Immer war es Theodors Bestreben gewesen, mit den Großen und Größten
in irgendeinen Kontakt zu gelangen. Schon in der Schule hatte er es durch
allerlei Dienst- und Ehrenerweisungen erreicht, daß ihn der Leiter in den
Pausen mit irgendeinem persönlichen Auftrag begnadete. Im Kriege war er
nach kurzen Monaten Adjutant des Obersten geworden. Und beim Anblick
des Ludendorffschen Bildes verfiel Theodor auf den Gedanken, seine alte
Methode anzuwenden und eine Verbindung mit dem General herzustellen.
Sein Herz schlug, sein Blut klopfte gegen die Schläfen, als stünde er vor dem
lebendigen General, nicht vor einer Photographie. Und Theodor begab sich in
ein Café und schrieb einen ehrerbietigen Brief an Ludendorff nach München,
ohne nähere Adresse, im Vertrauen auf die Popularität des Generals und die
Zuverlässigkeit der Post.
Und es geschah, daß Theodor wirklich eine Antwort erhielt. Er las und
wuchs bei jedem der kurzen, metallenen Worte. »Lieber Freund!« schrieb der
General, »Sie gefallen mir. Arbeiten Sie fleißig mit Gott für Freiheit und
Vaterland. Ihr Ludendorff.«
Theodor las den Brief: in der Bahn, an der Haltestelle, im Kolleg und
während er aß. Ja, mitten im Gewühl der Straßen erfaßte ihn Verlangen nach
dem Brief. Es zog ihn zu einer der kleinen Bänke am Rande eines Rasens hin,
auf die er sich niemals gesetzt hätte, aus Widerwillen gegen die plebejischen
und von Menschen niederen Schlages bevölkerten Sitzgelegenheiten. Heute
war er meilenweit von den Menschen entfernt, mit denen er dieselbe Bank
teilte. Er las den Brief und wanderte weiter, um sich nach zehn Minuten
wieder zu setzen.
Wie ein frommer Bibeldeuter im Text der Heiligen Schrift, so fand Theodor
in den Zeilen des Generals immer wieder einen neuen Sinn. Bald kam er zu
der Überzeugung, daß Ludendorff von Theodor Lohses Eintritt in die
Geheimorganisation wisse. Trebitsch mußte es ihm mitgeteilt haben. War
Theodor nicht ein persönlicher Freund des Prinzen? Zwischen der Absendung
des Briefes und dem Eintreffen der Antwort lagen acht Tage. Also hat sich
Ludendorff in Berlin erkundigt. »Mein lieber Freund!« schrieb der General.
So schreibt man einem, der mehr verspricht, als er schon geleistet hat.
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Buch Das Spinnennetz"
Das Spinnennetz
- Titel
- Das Spinnennetz
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1923
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 93
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1 5
- Kapitel 2 10
- Kapitel 3 14
- Kapitel 4 17
- Kapitel 5 21
- Kapitel 6 24
- Kapitel 7 30
- Kapitel 8 32
- Kapitel 9 36
- Kapitel 10 39
- Kapitel 11 42
- Kapitel 12 44
- Kapitel 13 47
- Kapitel 14 50
- Kapitel 15 52
- Kapitel 16 54
- Kapitel 17 57
- Kapitel 18 59
- Kapitel 19 61
- Kapitel 20 64
- Kapitel 21 67
- Kapitel 22 69
- Kapitel 23 73
- Kapitel 24 76
- Kapitel 25 79
- Kapitel 26 81
- Kapitel 27 83
- Kapitel 28 86
- Kapitel 29 89
- Kapitel 30 92