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was er vorsichtig anzudeuten sich vorgenommen hatte. Las er noch einmal das Manuskript, war er sicher und strich schwächende Worte, jedes »vielleicht« und jedes »wahrscheinlich«. Er schrieb die Aufsätze eines Mannes, der hinter die Kulissen geblickt hat. Er wußte, daß der »Nationale Beobachter« in den Lesesälen der »Germania« auflag und daß Tiedemann und die anderen ihn lasen. Dieser »Nationale Beobachter« hing in den Kiosken der Untergrundbahn, er hing an jeder Straßenecke und an jedem Kiosk, und an jeder Ecke schrie der weiß-rote Umschlag der Zeitschrift den Namen Theodor Lohse in die Welt. Er neidete nicht mehr den Efrussis die weißschimmernden Häuser hinter grünen Rasen, die silbernen Gitter und marmornen Treppen. Er dachte an die verlorene Frau Efrussi, wie ein ganz großer Mann einer kleinen Frau aus anderen Kreisen gedenkt, die ein kleines Abenteuer abgegeben hätte. Er beneidete den Juden Efrussi nicht, aber er haßte ihn und seine Sippe, seinen Stolz und die Art, wie er ihn, den Hauslehrer, zuletzt behandelt hatte. Jetzt erinnerte sich Theodor, daß er im Efrussischen Hause eine schüchterne Haltung eingenommen hatte, eine dumme Angst hatte ihn damals noch beherrscht, und die Schuld daran schob er den Juden zu. Wie überhaupt die Juden seine langjährige Erfolglosigkeit verursacht hatten und ihn an der schnellen Eroberung der Welt hinderten. In der Schule war es der Vorzugsschüler Glaser, andere Juden – er wußte sie nicht zu nennen – kamen später. Sie waren, wie alle Welt wußte, furchtbar, weil sie Macht besaßen. Aber auch häßlich und abscheulich, überall, wo sie auftauchten, in der Bahn, auf der Straße, im Theater. Und Theodor zupfte, wenn er einen Juden sah, auffällig an seiner Krawatte, um den anderen auf das drohende Zeichen des Hakenkreuzes aufmerksam zu machen. Die Juden erbebten nicht, ihre Frechheit erweisend. Sie sahen gleichgültig auf Theodor, manchmal höhnten sie ihn sogar, und er wurde beschimpft, wenn er Rechenschaft forderte. Er war gereizt, und es geschah, daß er des Nachts in stillen Straßen Passanten schmähte und, wenn ihm Gefahr drohte, in einer Nebenstraße verschwand. Von solchen Abenteuern erzählte er gelegentlich dem Detektiv Klitsche, dem Doktor Trebitsch und wurde von ihnen, nicht wie er erwartet hatte, belobt, sondern ermahnt, Disziplin zu üben. Denn Leute, die einer Organisation angehörten, müßten Aufsehen vermeiden. Von nun an schwieg er, aber der Haß fraß in ihm und machte sich frei in Artikeln für den »Nationalen Beobachter«. Die Aufsätze wurden immer gewalttätiger, bis das Blatt für einen Monat verboten wurde, und ausdrücklich wegen der Artikel Theodor Lohses. Zu diesem Erfolg gratulierten ihm einige junge Leser schriftlich. Auch Frauen schrieben ihm. Theodor antwortete. Man besuchte ihn. Gymnasiasten, Mitglieder des Bismarck-Bundes luden ihn ein, 26
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Das Spinnennetz
Titel
Das Spinnennetz
Autor
Joseph Roth
Datum
1923
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
93
Schlagwörter
Roman, Geschichte
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 10
  3. Kapitel 3 14
  4. Kapitel 4 17
  5. Kapitel 5 21
  6. Kapitel 6 24
  7. Kapitel 7 30
  8. Kapitel 8 32
  9. Kapitel 9 36
  10. Kapitel 10 39
  11. Kapitel 11 42
  12. Kapitel 12 44
  13. Kapitel 13 47
  14. Kapitel 14 50
  15. Kapitel 15 52
  16. Kapitel 16 54
  17. Kapitel 17 57
  18. Kapitel 18 59
  19. Kapitel 19 61
  20. Kapitel 20 64
  21. Kapitel 21 67
  22. Kapitel 22 69
  23. Kapitel 23 73
  24. Kapitel 24 76
  25. Kapitel 25 79
  26. Kapitel 26 81
  27. Kapitel 27 83
  28. Kapitel 28 86
  29. Kapitel 29 89
  30. Kapitel 30 92
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