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Das Spinnennetz
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französischer Spion, Klatko aus Oberschlesien, Invalider aus den Abstimmungskämpfen; Marineleutnants und Überseedeutsche, Flüchtlinge aus den besetzten Provinzen, ausgewiesene Regierungsräte, Prostituierte aus Koblenz, Straßenbettler aus den Rheinstädten, ungarische Offiziere, die unkontrollierbare Wünsche geflüchteter Mitglieder aus Budapest brachten, von der Polizei Verfolgte, die falsche Pässe forderten, Redakteure, namenlose, die Geld zur Gründung kleiner Blätter wollten. Jeder wußte etwas, konnte gefährlich, mußte befriedigt werden. Es gab Witzige, Dumme, Menschen, von denen Theodor lernen konnte, andere, die von ihm zu lernen suchten. Viele kannten ihn, sein Name war ihnen geläufig, vor Spitzeln mußte er sich in acht nehmen. Er mußte es überhaupt. Er ging durch die Straßen, die Hand am Revolvergriff in der Tasche, er mied dunkle Gegenden, nie trat er aus dem Haus, ohne sich umzusehen, in jedem Passanten witterte er einen Feind, in jedem Gesinnungsgenossen einen persönlichen Gegner. Auf seine Schar junger Leute allein konnte er sich verlassen. Er schuf einen Saal- und Versammlungsschutz, sprengte sozialistische Versammlungen, zog durch die Straßen mit flotten Gesängen. Zu den Vorträgen Trebitschs verteilte er seine Leute im Saal und ließ sie Beifall klatschen, zum Beifall ermuntern. Manchmal schrie ein ahnungsloser Zuhörer eine Beleidigung. Dann schrillte Theodors Pfiff, der Saalschutz strömte um den Zwischenrufer zusammen, keilte ihn ein, schlug ihn zu Boden, trampelte auf Rücken, Brust und Schädel und schlug sich in tödliche Begeisterung hinein. Er instruierte, rüstete aus, bestrafte Feiglinge, belobte Mutige, ein kleiner Gott war er. Sich selbst übertraf er, längst war sein Glaube erschüttert, sein Haß geschwächt, seine Begeisterung ausgekühlt, er glaubte nur an sich, liebte sich selbst, begeisterte sich an seinen Taten. Er haßte nicht mehr die Efrussis und nicht mehr die Glasers. Er glaubte nicht an den Erfolg der Bewegung. Er begann, Trebitsch zu durchschauen. Er sah die Sinnlosigkeit dieses Schlagwortes, jenes Arguments. Er verachtete die Zuhörer, zu denen er sprach. Er wußte, daß sie alles glaubten. Er las Broschüren, Zeitungen, nicht um ihre Gesinnung zu teilen, sondern um sie auswendig zu lernen, Überzeugungen, die ihm gleichgültig waren, im Kopf zu behalten. Er sah, daß jeder nur für sich arbeitete, er tat es mit größerer Anstrengung als die anderen. Er wollte … was er wollte, war ihm nicht klar. Er wollte Führer sein, Abgeordneter, Minister, Diktator. Noch kannte man ihn nicht außerhalb seiner Kreise. Noch brannte der Name Theodor Lohse nicht in den Zeitungen. Er hätte gern ein Märtyrer seines Ruhmes werden, der Volkstümlichkeit des Namens sein Leben opfern mögen. Es schmerzte ihn der Zwang zur Namenlosigkeit, unter dem er alle Taten verrichten mußte. Und je 33
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Das Spinnennetz
Titel
Das Spinnennetz
Autor
Joseph Roth
Datum
1923
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
93
Schlagwörter
Roman, Geschichte
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 10
  3. Kapitel 3 14
  4. Kapitel 4 17
  5. Kapitel 5 21
  6. Kapitel 6 24
  7. Kapitel 7 30
  8. Kapitel 8 32
  9. Kapitel 9 36
  10. Kapitel 10 39
  11. Kapitel 11 42
  12. Kapitel 12 44
  13. Kapitel 13 47
  14. Kapitel 14 50
  15. Kapitel 15 52
  16. Kapitel 16 54
  17. Kapitel 17 57
  18. Kapitel 18 59
  19. Kapitel 19 61
  20. Kapitel 20 64
  21. Kapitel 21 67
  22. Kapitel 22 69
  23. Kapitel 23 73
  24. Kapitel 24 76
  25. Kapitel 25 79
  26. Kapitel 26 81
  27. Kapitel 27 83
  28. Kapitel 28 86
  29. Kapitel 29 89
  30. Kapitel 30 92
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