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Geheimräte, bestialischer Hakenkreuzler; freute sich, daß sie ihn nicht
erkannten. Er irrte sich selten. Er hatte nicht gewußt, daß Klitsche tot war und
ein anderer an seiner Stelle saß. So brachte ihn ein lange erfolgreich geübtes
Manöver mit den Duplikaten, die Theodor entdeckte, in Verdacht. Er
verschmerzte den Fall. Er arbeitete mit falschem Material für Trebitsch. Und
sogar diesen übertraf er. Er spielte den dummen kleinen Spitzel. Aufträge ließ
er sich einigemal erläutern. Verwickelte Geschäfte lehnte er ab. Er gab die
Rolle eines Menschen, dessen Verstand gerade noch zur Erkenntnis seiner
eigenen Beschränktheit ausreicht.
Und er wartete.
An »seinem Tag« mußte in ganz Europa der schlummernde Wahnsinn zum
Ausbruch gekommen sein. Also vergrößerte er Verwirrung, steigerte Freude
am Blut, Lust am Töten, verriet einen an den anderen, beide dem dritten und
diesen auch. Er verdiente Geld. Aber er lebte in einem kleinen Zimmer eines
schmutzigen Hotels. In geheimnisvollen Kellerlokalen aß er, mit Bettlern und
Glühlampendieben. Er sparte für seinen Bruder, seine zwei Schwestern,
seinen alten Vater. Der Vater war ein alter Feldscher in Lodz mit einer kleinen
jüdischen Barbierstube. Die Schwestern Benjamins mußten eine Mitgift
haben. Dem Bruder, der Chemie studierte, gab er den größten Teil seines
Verdienstes. Dieser Bruder sollte einmal eine eigene Fabrik gründen können.
Niemals kam Benjamin mit ihm zusammen. Niemals schrieb er nach Lodz an
seinen Vater. Er hatte keine Zeit, Benjamin Lenz; er arbeitete für seinen Tag.
Theodor hatte ihn nicht nur wegen der Duplikate abgeschafft. Seine
Klugheit roch er. Er fühlte das Judentum Benjamins; wie ein Jagdhund überall
Wild wittert, so witterte Theodor Juden, wo er einer Überlegenheit begegnete.
Lenz kam eine halbe Stunde später, er ließ Theodor warten, er ließ jeden
warten, der ihn brauchte. Aber Theodors Wunsch zu erfüllen, weigerte er
sich. Er weigerte sich immer. Theodor Lohse zu den anderen führen? Den
Genossen Trattner? Sie kannten ihn, kannten das Porträt Theodors. Klaften
hatte ihn noch einigemal gezeichnet: naturgetreu.
Jene Affäre Klaften hatte Theodor begraben. Er fragte, wie sie ausgefallen
sei. »Überhaupt nicht«, sagte Lenz. Thimme, der junge Attentäter, war ein
Polizeispitzel gewesen. Goldscheider lag im Krankenhaus. Klaften war ein
bekannter Maler. Das Porträt Theodors hatte in der Ausstellung einen Preis
bekommen. Nach einer Viertelstunde weigerte sich Benjamin Lenz nicht
mehr. Las er in den Menschen? Alles könnte man ja vergessen, sagte Lenz,
wenn Theodor als Freund käme. Oder scheinbar als Freund.
Sie gingen.
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Buch Das Spinnennetz"
Das Spinnennetz
- Titel
- Das Spinnennetz
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1923
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 93
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Kapitel 1 5
- Kapitel 2 10
- Kapitel 3 14
- Kapitel 4 17
- Kapitel 5 21
- Kapitel 6 24
- Kapitel 7 30
- Kapitel 8 32
- Kapitel 9 36
- Kapitel 10 39
- Kapitel 11 42
- Kapitel 12 44
- Kapitel 13 47
- Kapitel 14 50
- Kapitel 15 52
- Kapitel 16 54
- Kapitel 17 57
- Kapitel 18 59
- Kapitel 19 61
- Kapitel 20 64
- Kapitel 21 67
- Kapitel 22 69
- Kapitel 23 73
- Kapitel 24 76
- Kapitel 25 79
- Kapitel 26 81
- Kapitel 27 83
- Kapitel 28 86
- Kapitel 29 89
- Kapitel 30 92