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Fabriken, in Ämtern sprachen von der nationalen Erhebung. Sozialistische Zeitungen erwarteten jeden Tag neue Überfälle. Die Polizei kam zu spät und nahm Tatbestände auf. Es war ein Sieg der Ordnung. Es erwies sich, wie nützlich Benjamin Lenz sein konnte. Der Journalist Pisk brachte einen Bericht über Theodor Lohse. Andere Journalisten baten um Interviews. Man zählte alle vergangenen Taten Theodor Lohses auf. Man erdichtete neue. Theodor Lohse lebte, überschüttet von Ruhm, von Journalisten bedrängt. Reiche jüdische Häuser luden ihn ein. Einmal kam er sogar zu Efrussi. Wie lang war das her! Wieviel hatte er erreicht! Jetzt stand er im Hause Efrussis, mit Politikern, Bankiers, Schriftstellern, ein Gast wie sie. Jetzt hätte er, ein Ebenbürtiger, mehr, ein Held in Uniform, ein Berühmter, der Frau Efrussi entgegentreten können. Aber jetzt klang ihre Stimme aus einer weiten Ferne herüber. Jetzt lächelte sie nicht mehr, verschwunden war ihre Güte, keine Wärme kam von ihr, sie nickte Theodor zu, er konnte kaum die Spitzen ihrer kühlen Finger berühren, und es war etwas wie ein Hohn in ihrem Gesicht, als wollte sie sagen: Ei, sieh den Theodor Lohse! Theodor konnte Frau Efrussi vergessen, wenn er mit Fräulein v. Schlieffen sprach, die mit ihrer Tante in Potsdam wohnte und sehr gut tanzen konnte. Theodor war kein Tänzer, auch im Sattel nahm er sich nicht besonders gut aus. Fräulein v. Schlieffen aber ritt jeden Morgen. Und obwohl ihr alle Offiziere der Garnison zur Verfügung standen, zog sie Theodor vor. Sie war sechsundzwanzig, eine Waise, aus berühmter Familie, aber ohne Geld. Der Vater hatte sein Leben als bescheidener Geheimrat, der Gesandtschaft in Sofia zugeteilt, beschließen müssen. Die Tochter war im Stift erzogen. Die Tante hatte immer für sie gesorgt. Jetzt war Zeit, sich um einen Mann umzusehen. Das wäre früher leicht gewesen. In der Republik wurde man eher alt, blieb man länger ledig. Wichtiger als Verbindungen war jetzt das Geld in dieser neuen Zeit. Was galt dieser Name? Nie hätte eine v. Schlieffen einen Bürgerlichen geheiratet. Jetzt konnte man es, jetzt durfte man es. Noch war man blond, noch waren ein paar allzufrühe Fältchen an den Schläfen nicht deutlich geworden, noch konnte man seine weißen, gesunden Zähne zeigen. Aber die Beine wurden schon merklich dicker, und in mancher Nacht fand man keinen Schlaf, Herz und Körper sehnten sich nach dem Mann. Es gab keinen so bescheidenen wie Theodor Lohse. Keinen, dem Ruhm, Erfolg und Ehrgeiz nicht Schüchternheit vor Damen genommen hätten. Er war mehr als dreißig. Im besten Alter für die Ehe. Er hatte eine Zukunft. Eine Frau, die hoch hinauswollte, konnte seinen Ehrgeiz nützlich machen. Elsa v. Schlieffen 74
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Das Spinnennetz
Titel
Das Spinnennetz
Autor
Joseph Roth
Datum
1923
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
93
Schlagwörter
Roman, Geschichte
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 10
  3. Kapitel 3 14
  4. Kapitel 4 17
  5. Kapitel 5 21
  6. Kapitel 6 24
  7. Kapitel 7 30
  8. Kapitel 8 32
  9. Kapitel 9 36
  10. Kapitel 10 39
  11. Kapitel 11 42
  12. Kapitel 12 44
  13. Kapitel 13 47
  14. Kapitel 14 50
  15. Kapitel 15 52
  16. Kapitel 16 54
  17. Kapitel 17 57
  18. Kapitel 18 59
  19. Kapitel 19 61
  20. Kapitel 20 64
  21. Kapitel 21 67
  22. Kapitel 22 69
  23. Kapitel 23 73
  24. Kapitel 24 76
  25. Kapitel 25 79
  26. Kapitel 26 81
  27. Kapitel 27 83
  28. Kapitel 28 86
  29. Kapitel 29 89
  30. Kapitel 30 92
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