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Das Spinnennetz
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Die verstockten Häftlinge wußten nichts zu gestehen. Die Polizisten schlugen sie. Ein Agent führte den Mann vor und drehte ihm die Handgelenke nach rückwärts. Es war eine »Sicherheitsmaßregel«. Wenn er die verfänglichen Fragen Theodors beantwortete, verringerte der Agent den Druck. Schwieg der Gefragte, dann verstärkte sich der Schmerz. »Antworten Sie«, sagte Theodor. Und alle Häftlinge kamen darauf, daß eine Beziehung zwischen ihren Antworten und den Schmerzen bestand. Und sie antworteten. Überfüllt waren die Gefängnisse. Die Polizei verhaftete keine Diebe mehr. Die Untersuchungsrichter ließen jeden frei. Sperrte man einen Einbrecher ein, geschah es, damit er die anderen aushorche. Und es füllten sich die Baracken. Man baute noch einige Hütten. Es war ein kalter Winter. Der Frost sang. Der Wind trieb zerstäubte Schneewogen. Durch die Fugen der Barackendächer fiel Schnee und schmolz und fror wieder auf dem Boden ein. Im Stroh, das feucht war und wie nasse Erde roch – es war ein Stroh, das nicht mehr rascheln konnte –, krochen Kinder, gelbhäutig, und ihre Rippen klapperten. Es war den Barackenbewohnern verboten, Kerzen anzuzünden, aber die elektrischen Birnen waren alt und untauglich, und die Männer saßen im Finstern beisammen und sangen. Sie sangen mit zerbrochenen Stimmen blutige Lieder. Manchmal ging Benjamin Lenz mit einem Ausweis von Theodor Lohse inspizieren. Er nahm keine Soldaten mit. Er verteilte Zigaretten an die Männer, und er gab ihnen auf kleinen Zetteln Ratschläge und Fluchtpläne. Einigen gelang die Flucht aus den Baracken. Sie kamen zu Benjamin. Er konnte dem und jenem ein falsches Papier verschaffen. Aber die meisten hatten Frau und Kinder, und sie mußten auf ihren Transport warten. Sie warteten lange. Sie warteten auf den Tod. Einmal kam Thimme zu Theodor, sie tauschten Erinnerungen an die alte Zeit bei Klaften aus. Thimme, der junge, liebte Theodor, er sagte es. »Sie waren mir damals sofort sympathisch!« sagte Thimme. Der ist gefährlich! dachte Theodor. Ich muß mich in acht nehmen, dachte Theodor. Aber er nahm sich nicht in acht. Nach einigen Tagen gefiel ihm der junge Thimme. Es war ein begabter Mensch, ein schneller Junge. Er wollte nur einen Posten. Und es erwies sich, daß Thimme Schlupfwinkel kannte. Die Gastwirte in Moabit, in deren Kellern Sprengstoffe und Waffen gelegen hatten. Heute lagen keine Waffen mehr dort. Aber Thimme wußte sie in den Kellern zu finden. Er brachte sie eine Nacht vorher unter. Er kannte Zugänge. Er hatte 84
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Das Spinnennetz
Titel
Das Spinnennetz
Autor
Joseph Roth
Datum
1923
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
93
Schlagwörter
Roman, Geschichte
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 10
  3. Kapitel 3 14
  4. Kapitel 4 17
  5. Kapitel 5 21
  6. Kapitel 6 24
  7. Kapitel 7 30
  8. Kapitel 8 32
  9. Kapitel 9 36
  10. Kapitel 10 39
  11. Kapitel 11 42
  12. Kapitel 12 44
  13. Kapitel 13 47
  14. Kapitel 14 50
  15. Kapitel 15 52
  16. Kapitel 16 54
  17. Kapitel 17 57
  18. Kapitel 18 59
  19. Kapitel 19 61
  20. Kapitel 20 64
  21. Kapitel 21 67
  22. Kapitel 22 69
  23. Kapitel 23 73
  24. Kapitel 24 76
  25. Kapitel 25 79
  26. Kapitel 26 81
  27. Kapitel 27 83
  28. Kapitel 28 86
  29. Kapitel 29 89
  30. Kapitel 30 92
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