Seite - 18 - in WeXel oder Die Musik einer Landschaft - Das Geistliche Lied, Band 1
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Die Landschaft
Die waldreiche Landschaft des Wechsels, letzter Ausläufer der Nordalpen, ist ab der Baumgrenze
geprägt von weit ausladenden Almwiesen und den für die Almwirtschaft errichteten Schwaigen und
Almhütten. Auf der niederösterreichischen Seite krönen runde Urgesteinskuppen die Talschlüsse, aus
deren steilen Gräben kalte Quellen und Bäche sprudeln.16 Die steirische Seite des Wechsels senkt sich
aus vereinzelten steilen, bewaldeten Gräben, verbreiternd zu weiten fruchtbaren, landwirtschaftlich
genutzten Flächen, hinunter zum Lafnitztal und ins Vorauer Land. Bereits Mitte des 16. Jahrhun-
derts fĂĽhrten botanische Exkursionen den Hofbotaniker Kaiser Maximilians II., Carolus Clusius, auf
den Wechsel.17
Die 1824 erschienene topographische Abhandlung des Schulmannes und Topographen Michael von
Kunits über das Königreich Ungarn enthält folgende Beschreibung dieses Bergmassivs:
Von der Berganhöhe ob Kho-Fidisch und vom Balcon des Schlosses18 sehen wir gegen Steyermark und
Oesterreich19 hin ein weites Platou von einer ausgebreiteten, sehr vermischten, abwechselnden Land-
schaft; wir erblicken in der Ferne den Wexel* in Steyermark, und Hoch-Neukirchen in Oesterreich […]
* Der Wexel ist ein hohes Gebirg in Steyermark, an der Gränze Ungarns.20
(Kunits, S. 8f.)
Dieses 1824 genannte „Ungarn“ ist heute der nördliche Teil des Burgenlandes, zu welchem der in Rich-
tung Osten auslaufende Wechsel einen Teil der Landesgrenze bildet. Dörfer und Märkte, Rotten oder
Viertel sind Zeugen der Siedlungsgeschichte. Zwei Jahrhunderte alte Verkehrswege verbinden die
beiden, heute in den Bundesländern Niederösterreich und Steiermark liegenden Seiten des Wechsels.
Die eine StraĂźe fĂĽhrt aus dem steirischen Lafnitztal ĂĽber den Feistritzsattel hinunter ins Feistritztal
mit den Hauptorten Trattenbach, Otterthal, Kirchberg und Feistritz am Wechsel. In Otterthal resp.
Kirchberg geht es vorbei an der Hermannshöhle über den Ramssattel – „die Råms“ – hinüber in Rich-
tung Gloggnitz zur SĂĽdbahnstrecke oder weiter durch das Feistritztal ĂĽber den Wanghof nach Aspang
und Edlitz. Die andere StraĂźe fĂĽhrt von Friedberg ĂĽber die bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts
ausgebaute Wechselstraße von Pinggau über die Passhöhe von Mönichkirchen nach Aspang.
16 Paul Schenker, Wasserprojekt Wechsel. In: Hydrologische Experimente im ForststraĂźenbau, Diplomarbeit, Institut fĂĽr
alpine Naturgefahren, Universität für Bodenkultur, Wien 2006, S. 19–24.
17 Charles de l’ Éscluse – Carolus Clusius (Arras, Flandern 1526–1609 Leiden, Niederlande) – Philosoph, Jurist, Arzt. Zahl-
reiche ostalpine Pflanzen sind nach ihm benannt: Clusius-Enzian (Gentiana clusii), Clusius-Schafgarbe (Achillea clusiana),
Clusius-Fingerkraut (Potentilla clusiana), Clusius-Gamswurz (Doronicum clusii), Clusius-Primel (Primula clusiana), Clu-
sius-Brombeere (Rubus clusii), Clusius-Pfingstrose (Paeonia clusii), Clusius-Tulpe (Tulipa clusiana). Siehe auch Gustav
Jäger: Der Wechsel und sein Gebiet. Niederösterreich und Steiermark, Wien 1874. Anhang: Flora des Wechsels und seiner
Voralpen. Dr. Joseph Krzisch, Wiener Neustadt; Zoologisches. Pfarrer Alois Mayerhofer, Waldbach. In: Erika Sieder: Das
Hungerloch. Ein Blick auf KĂĽche und Kultur in Mariensee und St. Peter am Wechsel, Weitra 2002 (= Sieder 1), Anhang.
Siehe dazu auch Barbara Trisko, Literaturverzeichnis, S. 540.
18 Damals im Besitz der Grafen Erdödy.
19 Mit diesem Begriff ist Niederösterreich gemeint.
20 Michael von Kunits (1765–1835): Topographische Beschreibungen des Königreiches Ungarn und seiner einverleibten
Provinzen, Pesth 1824, S. 8f.
WeXel oder Die Musik einer Landschaft
Das Geistliche Lied, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- WeXel oder Die Musik einer Landschaft
- Untertitel
- Das Geistliche Lied
- Band
- 1
- Autoren
- Erika Sieder
- Walter Deutsch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79584-1
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 648
- Schlagwörter
- Wechselgebiet, Geistliches Lied: Leichhüatlieder, bäuerliche Tradition der Totenwache, historische Tondokumente, Wörterbuch, Melodienincipits
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- AbkĂĽrzungen 10
- Zum vorliegenden Band 12
- Die Landschaft 18
- Der Totenbrauch 24
- 1. Die Totenwache 26
- 2. Das Begräbnis und das Totenmahl 33
- 3. Das Singen 38
- 4. Das Liedgut und seine Quellen 40
- 5. Die Liedgattungen 47
- Die Sammlung: Lei(ch)hüat- / Leichwåcht-Liadln – Lieder zur Totenwache 59
- Anmerkungen zur Edition der Lieder 60
- Johannes Leopold Mayer
- Zusammenfassung
- Register für das Wechselgebiet und die angrenzenden Regionen in Niederösterreich und in der Steiermark
- Allgemeines Register
- a) Ortsregister 601
- b) Personenregister 607
- Sachregister 613
- Register der Liedanfänge, Sammelorte und Tonaufzeichnungen 618
- Inhaltsverzeichnis und Begleittext zu den beiliegenden Tondokumenten 629
- Sängerinnen, Sänger und Vorbeter der Tonaufzeichnungen 630
- Inhaltsverzeichnis zu den beiliegenden CDs 632
- Autoren und Mitarbeiter 640