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Der Totenbrauch
Von Ort zu Ort unterschiedlich war die Reihenfolge der Lieder. Was in manchen Gemeinschaften re-
gelhaft eingesetzt wurde, hatte in anderen keine Bedeutung. Es wurde stets nach den BedĂĽrfnissen
entschieden: Alter, Geschlecht und Familienstand des Verstorbenen bestimmten die Liedwahl. Gleich
war meist die Auswahl fĂĽr das erste Lied und die letzten Lieder.50 Es wurden vor allem jene Lieder
angestimmt, welche im Incipit oder – bei Marienliedern häufig – in den letzten Strophen einen Begriff
enthielten, welcher auf den Abschied, die Nacht oder das Sterben hinweist:
Nun jetzt muss ich von euch scheiden,
Liebste Freund’ und Kinder mein … (siehe Lied Nr. 120)
oder
Gute Nacht, gute Nacht, o Welt,
Nimm nun dein Herbergsgeld … (siehe Lied Nr. 58)
oder
Ihr Kräften der Seelen in süßester Freud
Hier tut euch einstellen, Gott grĂĽĂźen allzeit.
Der Tag ist vergangen, die Nacht ist schon hier
Gute Nacht, o Maria, bleib ewig bei mir. (siehe Lied Nr. 78)
oder
Wenn ich von hier einst scheiden wird, (siehe Lied Nr. 20)
So komm zur Hilf mir dann.
Das gemeinsame Gebet erklang in der jeder Stimme eigenen Tonlage und in graduell unterschied-
licher Lautstärke. Durch das gleichmäßige Skandieren der Gebetsworte und durch die Vielfalt der
Stimmfarben entstand ein mächtiges Klangbild.
4. Das Liedgut und seine Quellen
Religiöse Druckwerke hatten ihren Anteil an der Verbreitung der Lieder zur Totenwache. Ab Mitte
des 19. Jahrhunderts wurden die „vom Volke“ gesungenen geistlichen Lieder durch die Herausgabe
der Gesangbücher von Joseph Gabler, Franz Schönberger und Joseph Wallner weiteren Kreisen be-
kannt. Vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg dokumentieren
die handschriftlichen und archivierten Sammlungen von Ernst Hamza, Karl M. Klier, Karl KronfuĂź,
Karl Liebleitner, Josef Pommer, Leopold Raab und Franz Reingruber die Gesamtheit der im Wechsel-
gebiet erfassten Lieder. Sammel- und Forschungsaktionen der Jahre 1950 bis 2013 erfassten alle beim
Totenbrauch im Wechselgebiet gesungenen Liedgattungen.
Bis zum verordneten Ende des „Leichhüatns“ wurden die Texte der Lieder in handschriftlichen
Aufzeichnungen und deren Melodien allein aus der Erinnerung jeweils an die nächste Generation
weitergegeben. Nach der Forschungslage lässt sich die Herkunft dieser Lieder nicht erschließen. Nur
wenige tragen das Signum einer nennbaren Autorenschaft. Damit bleiben die Wege der Ăśberlieferung
weiterhin ein nicht zu klärendes Phänomen.
Wie stark das gemeinschaftliche Singen vom geistlichen Lied geprägt war, lässt die nachfolgende
statistische Auswertung von Konrad Mautners Sammlung gedruckter weltlicher und geistlicher Lied-
flugblätter im steirischen Landesarchiv (Nr. 1395a, 4055alt) erkennen:
50 Siehe Kapitel 1. Die Totenwache, Lied Nr. 96, Lied Nr. 192.
WeXel oder Die Musik einer Landschaft
Das Geistliche Lied, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- WeXel oder Die Musik einer Landschaft
- Untertitel
- Das Geistliche Lied
- Band
- 1
- Autoren
- Erika Sieder
- Walter Deutsch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79584-1
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 648
- Schlagwörter
- Wechselgebiet, Geistliches Lied: Leichhüatlieder, bäuerliche Tradition der Totenwache, historische Tondokumente, Wörterbuch, Melodienincipits
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- AbkĂĽrzungen 10
- Zum vorliegenden Band 12
- Die Landschaft 18
- Der Totenbrauch 24
- 1. Die Totenwache 26
- 2. Das Begräbnis und das Totenmahl 33
- 3. Das Singen 38
- 4. Das Liedgut und seine Quellen 40
- 5. Die Liedgattungen 47
- Die Sammlung: Lei(ch)hüat- / Leichwåcht-Liadln – Lieder zur Totenwache 59
- Anmerkungen zur Edition der Lieder 60
- Johannes Leopold Mayer
- Zusammenfassung
- Register für das Wechselgebiet und die angrenzenden Regionen in Niederösterreich und in der Steiermark
- Allgemeines Register
- a) Ortsregister 601
- b) Personenregister 607
- Sachregister 613
- Register der Liedanfänge, Sammelorte und Tonaufzeichnungen 618
- Inhaltsverzeichnis und Begleittext zu den beiliegenden Tondokumenten 629
- Sängerinnen, Sänger und Vorbeter der Tonaufzeichnungen 630
- Inhaltsverzeichnis zu den beiliegenden CDs 632
- Autoren und Mitarbeiter 640