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Zipper und sein Vater
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darstellte. Links: Herr Zipper im Zylinder mit weißen Handschuhen, wie er eben von einer Hochzeit oder von einem Begräbnis kam. Hier war er noch junger Bräutigam, einen Blumenstrauß in weißer Tüte in der Hand. Dort ein bereits ernster Vater, Arnold, den Kleinen, auf den Knien. Noch öfter als der alte war der junge Zipper photographiert. Arnold, wie er sechs Monate alt war, splitternackt, lächelnd, auf einem Bärenfell; Arnold als Einjähriger auf dem Arm der Mutter; Arnold als Vierjähriger in den ersten langen Hosen; Arnold als Sechsjähriger mit dem ersten Schulranzen, mit Schiefertafel und baumelndem Schwamm; Arnold als Siebenjähriger mit dem ersten Schulzeugnis; Arnold als Achtjähriger mit gekreuzten Beinen, zu Füßen seines Lehrers, umgeben von seinen Schulkameraden; Arnold im spanischen Nationalkostüm und als Radfahrer; als kleiner Reiter im Hippodrom und als Chauffeur im Vergnügungspark; Arnold auf einem Esel und auf dem Kutschbock; Arnold am Klavier und mit der Geige; Arnold mit Pfeil und Bogen und Arnold mit Säbel; Arnold als kleiner Dragoner und als kleiner Matrose; Arnold in allen Altern, allen Kleidungen, allen Lagen; Arnold, Arnold, Arnold … Weshalb, fragte ich, ist nicht Arnolds Bruder, der ältere, den man Cäsar nannte, photographiert? Er hieß Cäsar, nach dem früh verstorbenen Bruder seiner Mutter. Es schien, daß dieser Name den Knaben beschwerte, ihm Aufgaben stellte, für die er nicht geboren war. Er mußte entweder ein Genie sein oder ein Hund. Wer war imstande, mit solch einem Namen seinen Eltern Freude zu bereiten? Nein! Er bereitete ihnen keine Freude, wenigstens nicht dem Vater. Man sah Cäsar selten zu Hause. Er trieb sich in den Straßen herum, man traf ihn vor dem Eingang zum Zirkus Cavalli, vor den Kinos in den Vorstädten und in der kleinen Gasse, in der jedes Haus ein Bordell war. Und er war im ganzen vierzehn Jahre alt. Ich erinnere mich deutlich an sein rotes grobes Gesicht, in das die Züge roh und provisorisch eingezeichnet waren, an seine kurze, von vielen Runzeln zerknitterte Stirn, die aussah, als wollte sie falsche Sorgen vortäuschen, an den merkwürdigen Gegensatz zwischen dem ungläubigen Mund, der an eine traurige alte Sichel erinnerte, und den hellen, grünen, bestialisch und irrsinnig glänzenden Augen. Als er fünfzehn Jahre alt war, schlief er mit allen Dienstmädchen der Nachbarschaft, ein schwarzer Bart sproßte aus allen Winkeln seines Gesichts, seine Augenbrauen wuchsen an der Nasenwurzel zusammen. Er »wollte nicht lernen«. Der alte Zipper »nahm ihn« aus dem Gymnasium und »gab ihn« in die Realschule. Hier geriet er mit einem Mitschüler in Streit, zerschlug ihm das Nasenbein, ohrfeigte einen Lehrer, der vermitteln wollte. Da »nahm« der alte Zipper Cäsar aus der Realschule und »steckte« ihn in die Bürgerschule. Hier gab es mehrere 9
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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