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Zipper und sein Vater
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traurig, wie ein Gärtner, der kraftlosen Samen gesät und dem der Sommer und der Herbst ohne Gabe vorbeiziehn. Er gab immer weniger auf seine Haltung acht. Verschiedene Methoden, eleganter zu erscheinen, als er in Wirklichkeit sein konnte, behielt er noch bei. Er trug weiße Krawatten zu einem schwarzen Anzug. Er sah einem Herrenreiter ähnlich, einem Lakaien, einem Fischer am Sonntag, einem Kapitän, der nach langen Jahren zum erstenmal wieder festen Boden betritt, einem Manager in einem Zirkus, weiß Gott noch wem. Als ihm die Haare auszugehen begannen, erfand und mischte er allerhand Salben, sie zu bewahren. Durch eine Verbindung von Terpentin, Chinin, Schwefel und Salz gelang es ihm, ein Haarmittel herzustellen, das er selbst mit Erfolg verwendete und dessen Geheimnis er einem Friseur verkaufte – um den Preis eines Gratisabonnements für zwei Jahre, Haarschneiden einmal im Monat inbegriffen. Denn es ging dem alten Zipper keineswegs um einen Verdienst, sondern um die Möglichkeit, sich sogar in puncto Rasieren und Haarschneiden von andern Männern zu unterscheiden, die ihren Barbier mit barer Münze bezahlten. Es war sein Ehrgeiz, »Protektionen« zu haben. Meist gelang es ihm, die Gunst derjenigen Persönlichkeiten zu gewinnen, die man überhaupt im Leben nicht braucht. Da er sich aber einbildete, man müsse Freundlichkeit erhalten, verlor er viel Zeit – die ihm allerdings immer zur Verfügung stand. Er kannte die Rayoninspektoren der Polizei, einige Männer von der Feuerwehr, er hatte seine Beziehungen auf den verschiedensten Bahnhöfen, er grüßte Zollbeamte, Magistratssekretäre, Gerichtsadjunkten, Männer, die Steuern einkassierten, Sollizitatoren, Notare. Ja, auch den Henker kannte er. Er rühmte sich seiner Fähigkeit, Hinrichtungen beiwohnen zu können, ließ es aber niemals darauf ankommen – ich vermute, daß ihn sein weiches Herz nicht gehen ließ. Doch gelang es ihm immer, bei Unglücksfällen, Bränden, Volksversammlungen, Verhaftungen, Demonstrationen, Umzügen, offiziellen Feiern und andern Gelegenheiten dort durchzukommen, wo es verboten war. Er, der sich aus dem Kaiser nichts machte und abfällige Witze über ihn sogar im Kaffeehaus vorbrachte, marschierte am Vorabend des kaiserlichen Geburtstages an der Seite der Fackelträger und der Veteranenmusik. Wenn eine hohe Persönlichkeit begraben wurde, hinderte ihn seine Ungläubigkeit nicht, in einer Reihe mit den nächsten Leidtragenden in der Kirche zu sitzen. Jeden Sommer, wenn der Kaiser nach Ischl fuhr, befand sich der alte Zipper unter Generälen, Bürgermeistern und fast neben dem Stationschef – den er kannte – auf dem Bahnsteig. Längst nachdem er wegen starker Krampfadern von der Teilnahme an Manövern befreit war, ging er in die Dörfer, in denen sie stattfanden. Alle Bewegungen der Truppen kannte er. Dank einer Beziehung zu einem Portier des Parlaments, saß er, wenn es tagte, neben der Journalistenloge. Bedeutenden Prozessen wohnte er bei, 20
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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