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Zipper und sein Vater
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Heldenhaftigkeit in Koketterie zu verwandeln. Denn die Eitelkeit war in jenen Tagen – nicht zum ersten Male im Lauf der Jahrtausende – stärker als die Disziplin und sorglos vor dem Tod. Arnold trug zum Beispiel, was Infanterieoffizieren verboten war, eine Mütze ohne Schild schief auf dem Kopf. Er war nicht kindisch genug, um mit seiner militärischen Existenz und seinem Offiziersgrad zufrieden zu sein; und den Charakter selbstgefälliger Keckheit verlieh er seiner Kleidung nicht deshalb, weil er sich mit der Uniform freute. Aber er gehörte zu jenen Männern – ich konnte es später bei vielen bemerken –, die einer Mode erliegen, wie Menschen mit empfindlichen Atmungsorganen einer Influenza. Ich weiß, daß mir Arnold Zipper erst auffiel, als ich ihn nach dem Krieg traf. Obwohl ich ihn nur ein halbes Jahr nicht gesehen hatte, schien er mir doch in der Zivilkleidung so verwandelt, daß ich glaubte, ihn nach langen Jahren wieder getroffen zu haben. Er trug einen dunkelblauen Anzug aus billigem, gefärbtem Militärstoff. Es war einer von den Anzügen, die man in armen Vierteln auf Stangen vor kleinen Läden hängen sieht, die, wenn man sie angezogen hat, den menschlichen Körper abzuschrecken scheinen, so daß er sich selbst vor ihnen zurückzieht und zwischen sich und dem Stoff, der ihn bekleiden sollte, der ihn aber nur umhüllt, einen luftleeren Raum läßt. Hinter den Bewegungen, die Arnold Zipper in diesem Anzug machte, ahnte ich die ursprünglichen, feineren und gelenkigeren Bewegungen des nackten Körpers. Es war, als kämen der Ärmel und die Hose dem Arm und dem Bein um den Bruchteil einer Sekunde nach. So entstand eine kaum bemerkbare Unbeholfenheit im Gehaben Zippers – vielleicht verursachte sie es eigentlich, daß ich Arnold jetzt genauer zu beobachten begann. Ein blau-weiß gestreifter weicher Kragen, den Arnold zu einem Hemd von der gleichen Farbe, aber einem andern Muster trug, wahrscheinlich in der Hoffnung, daß die auffallenden Farben die Verschiedenheit der Zeichnung vergessen machen, lenkte vielleicht erst meine Aufmerksamkeit auf das frauenhafte Grübchen in seinem Kinn, das mich manchmal an seine Mutter erinnerte und das ihm den Ausdruck eines genußfreudigen Menschen und eines gutherzigen verlieh. Auffallend waren seine kleinen weißen Zähne, die Zähne eines Nagetiers, die Arnolds Angesicht heiter machten, beinahe übermütig, wenn er sprach. Hielt er den Mund geschlossen, so war sein Gesicht düster. Seine Stirn war rein und groß, sie wirkte unschuldig und unbeschrieben. Seine Augen hatten einen federleichten Blick, der von den Zielen abglitt, wie ein Korkpfropfen, abgeschossen aus einer Knabenflinte. Mit diesen Blicken sah Arnold die Welt. Er kannte ihre Flächen, ihre Glätte und ihre Rauheit, ihre Buntheit und ihre Eintönigkeit. Manchmal wirkte seine 37
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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