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Zipper und sein Vater
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er sich aufrichtig nach seinen Absichten ausforschte, so mußte er zugeben, daß ihm nichts gleichgültiger war als eine öde, geregelte Arbeit zu Hause. Vielleicht mußte man in der Fremde härter arbeiten, aber es war die Ferne. Er las viele Reiseschilderungen. Er hatte sie schon seit seiner Knabenzeit gelesen. Aber niemals war der Wunsch zu reisen in ihm vorher erwacht. Erst als er aus dem Krieg zurückkam, dieses Haus wiedersah, in dem er groß geworden war, diesen Vater, der ihn erzogen, diese Mutter, die um ihn geweint hatte, als er den Schatten des Bruders fühlte, der jetzt erst, nach dem Tode, ein Mitglied der Familie geworden war; als Arnold dieses Land sah, dessen Bürger er war, in dem es galt, jeden Augenblick irgendeiner Partei anzugehören, irgendeine Gesinnung zu bezeugen, in Wirklichkeit also weiter zu dienen für irgendein »öffentliches Wohl«, das man nicht kannte, das man nicht sah und griff und das nur in den Zeitungen beschrieben stand, da erst wollte er nach Brasilien. Er war aber zu empfindlich, um im Vertrauen auf seinen Onkel auszuwandern, wie es seine Eltern gewünscht hatten. Von allen Grundsätzen der verkehrten Erziehung, durch die der Mensch verdorben wird, war einer der dümmsten Arnolds Überzeugung geworden, jener Grundsatz, der in dem geflügelten Wort seine törichte Form gefunden hat: »Selbst ist der Mann!« Er hatte diesen amerikanischen Ehrgeiz, ganz allein, ohne Hilfe, etwas zu erreichen. Den Grundsatz, der einen amerikanischen Milliardärssohn veranlaßt, nicht im Alter von zwanzig Jahren so nützlich zu werden, wie er sein könnte, sondern zuerst mit Streichhölzern zu handeln und den Weg, den sein Vater schon gemacht hat, noch einmal zurückzulegen. Ein widernatürlicher Ehrgeiz, etwa jenem vergleichbar, der einen jüdischen Verteidiger für Zivilsachen zwingt, als erster einen noch nie erstiegenen Alpengipfel ohne Führer zu erklimmen; einen Artisten, seine Kunststückchen auf einem Aeroplan zu vollführen, obwohl sie auch auf dem Trapez lebensgefährlich sind; einen Maurermeister, ohne Gerüst an einem Wolkenkratzer zu arbeiten. Diesen Ehrgeiz besaß Arnold. Er wollte allein nach Brasilien, und er träumte davon, eines Tages seinen Vater mit einem Telegramm vom Bord eines Dampfers zu überraschen. Im Grunde war sie vielleicht ein Erbe des alten Zipper, diese Freude an Überrumpelungen, ein Vergnügen für kleine Bürger. Es gab in jener Zeit viele Agenten für Auswanderer in romantische Fernen. Es gab Vereine von jungen Leuten, die eine gemeinsame Fahrt nach Australien für einen Sonntagsausflug hielten und die überzeugt waren, daß ihnen nichts unmöglich sei, weil sie dem Tod entronnen waren. Einem dieser Vereine trat auch Arnold bei. Es schien ihm besser zu gehen, seitdem er seinen Wochenbeitrag regelmäßig zahlte. Sein Leben hatte wieder einen Sinn bekommen. Etwas zu verbergen war auch eine Beschäftigung. Aber nach kurzer Zeit verschwand der Kassierer des Vereins 40
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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