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Zipper und sein Vater
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»Als diese Laune mit den Mädchen kam, war ich ahnungslos. Ich dachte, es wären harmlose Freundschaften. Wir wohnten damals noch zusammen, mein Zimmer lag neben dem ihrigen. Ich schlief sehr tief und erwachte plötzlich. Es schien mir, daß jemand geschrien habe. Ich klopfte an die Tür. Man schien mich nicht zu hören. Ich öffnete, sie erschraken, die kleine Anny war bei ihr. ›Was suchst du da?‹ sagte Erna. Ich entschuldigte mich. ›Ich habe rufen hören‹ – und wie ich in mein Zimmer zurückkomme, liegt die Anny in meinem Bett. Am nächsten Morgen bin ich in die Pension gezogen.« Er schwieg wieder. Er trat in einen großen Blätterhaufen und wirbelte ihn auf. Dann begann er: »Ich verstehe sie dennoch. Niemand kann sie so gut verstehen – und ich warte.« »Worauf?« »Ich warte auf den Tag, an dem sie mich rufen wird. Jeden Tag glaube ich: jetzt kommt sie. Immer, wenn in meinem Büro das Telephon läutet, zögere ich einen Moment, bevor ich den Hörer fasse. Seit einem Jahr lebe ich in dieser Spannung. Wenn ich nach Hause gehe, auf der Treppe stockt mein Herz. Jetzt, denke ich, wartet sie drinnen. Dann sehe ich das leere Zimmer. Ich schaue noch einmal genau in alle Ecken, schlage die Vorhänge zurück, denn ich erinnere mich – einmal, ein einziges Mal – an eine Nacht, in der sie mit mir lustig war. Da hatte sie sich auch hinter dem Vorhang versteckt.« »Und wenn dieser Tag niemals kommt?« »Das gibt es nicht. Ich kenne sie genau. Sie wartet selbst auf diesen Tag. Sie weiß es gar nicht. Ich kenne sie besser, als sie sich selbst kennt.« Wir kamen an ihr Haus. Das Dienstmädchen sagte: »Die gnädige Frau ist gestern nacht abgereist. Hier ist ein Brief.« Arnold steckte den Brief in die Tasche, ohne ihn anzusehen. Wir gingen den halben Weg schweigsam zurück. Dann kehrten wir in ein Kaffeehaus ein. Da las Arnold. »Sie hat plötzlich wegfahren müssen«, sagte er. »Es wird ein Film in Ischl gedreht. Ich weiß aber nichts davon. Kann es ›Der tödliche Berg‹ sein? Oder ›Im Schatten der Riesen‹? – Es ist nämlich ein Märchenfilm, dort soll sie die Prinzessin sein.« – Was hatten wir noch zu sprechen? Wir gingen auseinander. nbsp; 85
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Ă–sterreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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