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Zipper und sein Vater
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sich erfüllen!« An dem Tag, an dem Arnold das Telegramm erhalten hatte, bekam auch ich eines, von Arnolds Vater. »Ankomme Mittwoch elf Uhr vormittags, entschuldigt Störung, Näheres mündlich!« lautete die Depesche. Ich mußte den alten Zippererwarten – ich war übrigens auch neugierig genug, ihn zu sehen. Er kam mit einem eleganten Lederkoffer, den er sich eigens von einem Geschäftsfreund für diese Reise geliehen hatte. Er trug eine englische großkarierte Reisemütze und den Stock mit der Krücke aus echtem Elfenbein samt einem Schirm in einem Etui. Man konnte ihn für einen gewiegten Weltreisenden halten. Er stieg aus dem Coupé, seinen Chronometer in der Hand – und ich hatte ihn kaum begrüßt, als er sagte, während er mit dem Zeigefinger auf das Uhrglas klopfte: »Genau eine Minute und zehn Sekunden Verspätung! Übrigens habe ich gemerkt, daß die elektrischen Uhren auf allen Stationen verschiedene Zeiten zeigen. Ich frage mich, wozu da die Elektrizität!« Und ehe wir in einen Wagen stiegen, sagte er: »Zu Arnold!« – in einem Ton, aus dem zu entnehmen war, daß der alte Zipper glaubte, jeder Chauffeur müßte die Adresse Arnolds kennen. »Ich hätte ja Arnold selbst telegraphiert!« sagte der alte Zipper, »aber ich glaube, es ist besser, ich überrasche ihn. Er hat mir geschrieben, daß seine Frau verreist ist, also ist keine Störung zu befürchten.« Ich erzählte dem alten Zipper nicht, daß Arnold niemals mit seiner Frau zusammen wohnte. Es hätte Mühe gekostet, seinen Fragen standzuhalten oder auszuweichen. Ich vermied es überhaupt, mit Zipper zu sprechen. Ich ließ ihn reden und dachte über ihn nach. Er hatte sich eigentlich nicht verändert. Er ist wieder jünger geworden. Der Krieg, der Tod seines jüngeren Sohnes, das Unglück seines älteren – das er doch fühlen müßte –, Sorgen, Schulden und die Beschwerden des Alters hatten ihm nur eine Trauer umgelegt, wie eine Kleidung, wie einen Mantel, den man sich anzieht, weil es draußen kalt ist, nicht weil man selbst friert. Und wie es Menschen gibt, denen ein Klimawechsel gar nichts bedeutet und denen es im Winter ebenso heiß ist wie im Sommer, nur daß sie der allgemeinen Sitte zufolge im Winter einen Pelz tragen und im Sommer ohne Weste gehen, so mochte es Menschen geben, die einen gedankenlosen Frohsinn in ihrem Leib trugen wie die Eigentemperatur und die sich nur in eine kalte Luftschicht von Trauer hüllten, wenn ihnen etwas Trauriges zustieß. Ja, ich hatte mich geirrt! Ich hatte den Alten für einen Erledigten gehalten, vielleicht geschah es deshalb, daß ich mich mit der Intensität dem Jungen zuwandte, die ich früher nur für das Studium des Vaters aufgebracht hatte. Aber der Vater war noch eines intensiven Studiums würdig genug! 89
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Zipper und sein Vater
Titel
Zipper und sein Vater
Autor
Joseph Roth
Datum
1928
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
112
Schlagwörter
Roman, Geschichte, Österreich, Wien
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 8
  3. Kapitel 3 13
  4. Kapitel 4 18
  5. Kapitel 5 22
  6. Kapitel 6 25
  7. Kapitel 7 28
  8. Kapitel 8 36
  9. Kapitel 9 42
  10. Kapitel 10 45
  11. Kapitel 11 54
  12. Kapitel 12 62
  13. Kapitel 13 68
  14. Kapitel 14 74
  15. Kapitel 15 77
  16. Kapitel 16 83
  17. Kapitel 17 88
  18. Kapitel 18 94
  19. Kapitel 19 97
  20. Kapitel 20 101
  21. Kapitel 21 104
  22. Brief des Autors an Arnold Zipper 110
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