Ernst Streeruwitz
Ernst Streeruwitz (bis 1919 Ritter Streer von Streeruwitz) (* 23. September 1874 in Mies, Böhmen[1]; † 19. Oktober 1952 in Wien) war ein österreichischer Offizier, Industriemanager und Politiker der Christlichsozialen Partei. Er war von 1923 bis 1934 Abgeordneter zum Nationalrat, 1929 bekleidete er für wenige Monate das Amt des Bundeskanzlers. Er war ein Befürworter des autoritären Ständestaates und später des „Anschlusses Österreichs“ an das Deutsche Reich.
Leben
Ernst Streer Ritter von Streeruwitz wurde am 23. September 1874 in Mies (Böhmen) als Sohn des Reichsrats- und Landtagsabgeordneten Georg Adolf Streer Ritter von Streeruwitz geboren. Er entstammte einer friesischen Familie, die nach Böhmen eingewandert und 1743 geadelt worden war. 1748 erhielt die Familie den böhmischen Ritterstand und das Prädikat „von Streeruwitz“.
Streeruwitz absolvierte das Gymnasium, hierauf die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt und wurde 1895 Leutnant. Er diente als Berufsoffizier im k. u. k. Dragoner-Regiment Nr. 7 und im Generalstab. 1899 diente er an der Kriegsschule, erkrankte aber 1900 schwer und musste den aktiven Militärdienst quittieren. Danach betrieb er juristische Studien an der Wiener Universität und studierte vier Jahre Maschinenbau an der Technischen Hochschule in Wien.
In den Jahren 1901–1903 wurde durch Streeruwitz der Guts- und Fabrikbesitz der Firma Franz Leitenberger, Josefstal (Böhmen), reorganisiert. Von 1904 bis 1913 war er Direktor der ebenfalls in Böhmen befindlichen Cosmanos AG.
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges rückte er freiwillig ein und avancierte zum Rittmeister (Hauptmann). Da er aufgrund seiner Vorerkrankung für den Frontdienst untauglich war, fand er Verwendung im k.u.k. Kriegsministerium. Hier erwarb er sich große Verdienste um den Kriegsgefangenenschutz. Dafür wurde er mit dem Franz-Joseph-Orden, dem Signum Laudis mit Kriegsdekoration und dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Nach dem Ende der Monarchie in Österreich-Ungarn wurde 1919 die Aufhebung des Adels beschlossen, aus Ritter Streer von Streeruwitz wurde Streeruwitz.
Im Januar 1919 kehrte er in die Industrie zurück, wo er schon 1914 kurzzeitig den Direktionsposten der Neunkirchner Druckfabrik AG innegehabt hatte. 1925 wurde er Generaldirektor der Neunkirchner Druckfabrik AG. Von 1923 bis 1934 war er als Vertreter der christlich-sozialen Liste Abgeordneter zum österreichischen Nationalrat (II., III. und IV. Gesetzgebungsperiode). Dort vertrat er auch die Interessen der österreichischen Industrie. Streeruwitz zählte zu den führenden Mitgliedern verschiedener parlamentarischer Ausschüsse und trat dabei besonders für die handelspolitische Verständigung Österreichs ein. Er bemühte sich besonders um das Zustandekommen eines neuen österreichischen Zolltarifs und vermochte die entgegenstehenden Interessen der Industrie und der Landwirtschaft zu verbinden.
Ein von ihm verfasster Gesetzentwurf wurde als „Bankhaftungsgesetz“ zum Gesetz erhoben. Weiterhin fungierte er als Regierungsbevollmächtigter anlässlich des Zusammenbruches der Zentralbank deutscher Sparkassen in der Republik Österreich und konnte so den „Run“ auf die Zentralbank beenden, wodurch er die Reserven einer großen Anzahl von Spar- und Genossenschaftskassen retten konnte. Nachdem er schon früher die Reorganisation der Landeshypothekenbank für Niederösterreich als deren Oberkurator durchgeführt hatte, wurde durch seinen Antrag auch eine Landeshypothekenanstalt für das Burgenland errichtet.
Nach dem Rücktritt der Regierung Seipel V wurde Ernst Streeruwitz am 4. Mai 1929 zum Bundeskanzler der Republik Österreich berufen.
Im September 1929 verweilte Streeruwitz in Genf und leitete dort die Verhandlungen zur Befreiung der Republik Österreich von Reparationsverpflichtungen aus dem Ersten Weltkrieg. Zwischenzeitlich hatten sich die innenpolitischen Verhältnisse in der Republik deutlich durch die erstarkte Heimwehrbewegung zugespitzt. Streeruwitz, der eigentlich eine umfassende Verfassungsreform zur Entspannung der Lage herbeiführen wollte, sah sich plötzlich vor Schwierigkeiten gestellt, die er mit seinem Kabinett nicht mehr zu lösen vermochte. Er trat daher, ausgelöst durch die Rücktrittsabsicht seines Finanzministers Dr. Mittelberger, am 25. September 1929 als Bundeskanzler zurück, nicht ohne vorher den früheren Bundeskanzler Schober als seinen Nachfolger vorzuschlagen.
Streeruwitz, der sich immer auch für die Interessen der Industrie einsetzte, war von 1927 bis 1930 Vizepräsident der Wiener Handelskammer und von 1930 bis 1935 auch deren Präsident. Neben weiteren Verbandstätigkeiten innerhalb der österreichischen Industrie war er unter anderem auch Vorstandsmitglied des Hauptverbandes der Industrie und Mitglied der Gesellschaft der Freunde der Technischen Hochschule in Wien.
1938 zog er sich ins Privatleben zurück und nahm sein Studium der Staatswissenschaften, das er 1900 unterbrochen hatte, an der Universität Wien wieder auf und wurde dort 1939 zum Dr. rer. pol. promoviert. Er wurde am Döblinger Friedhof bestattet.[2]
Politik
Als Gründer und Leiter des Österreichischen Kuratoriums für Wirtschaftlichkeit veröffentlichte er 1931 das Werk "Rationalisierung und Weltwirtschaft". Darin beklagte er die „Verteilung des Lebensraumes auf der ganzen Erde“ bei der Räume unerschlossen bleiben während in anderen Räumen „Überbevölkerung, Not und kriegsdrohende Expansion“ entstehe. Weiterhin vertrat er die Auffassung das „die wirtschaftliche Rationalisierung Europas“ nicht ohne „Neuordnung im Osten“ möglich sei, „eine erstarrte Feuerlinie von Königsberg und Danzig bis nach Oberschlesien“ sei vom Standpunkt der Rationalisierung unerträglich. Er deutet nach Joachim Radkau sogar einen Sturz des kommunistischen Systems in der Sowjetunion als sein Ziel an, denn er spricht davon das die russische Revolution „fast ein Drittel der Erde gewaltsam nicht nur aus dem großen Rationalisierungsprozeß der Welt ausgeschieden hat, sondern eben diesen Prozeß auch überall anderwärts hemmt und gefährdet“.[3]
Werke
- Ordnung und Aufbau der Weltwirtschaft (1931)
- Wie es war (1934)
- Springflut über Österreich (1937)
- Die Friedenssicherung und ihre Methoden (1937)
Auszeichnungen
- 1935: Verleihung des Magistral-Großkreuzes des Malteserordens[4]
Literatur
- Georg Rigele: Streeruwitz, Ernst. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 526 (Digitalisat).
- Das Große Buch der Österreicher, Kremayr & Scherian
- Familienarchiv des Hauses der Edlen von Janecek
- Lothar Höbelt, Ernst von Streeruwitz 1874–1952. Ein österreichischer Bundeskanzler aus (West-)Böhmen, in: Bohemia Occidentalis Historica 3, 2017, 15–29.
Weblinks
- Ernst Streeruwitz auf den Webseiten des österreichischen Parlaments
- Ernst von Streeruwitz im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
- Eintrag zu Ernst Streeruwitz im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Literatur von und über Ernst Streeruwitz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kurzbiografie auf wienerzeitung.at (Memento vom 13. November 2004 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- ↑ portafontium.eu – Taufbuch Mies (Stříbro), Böhmen, 1869–1884, Seite 123, 4. Zeile
- ↑ Ernst Streer Streeruwitz in der Verstorbenensuche bei friedhoefewien.at
- ↑ Joachim Radkau, Imanuel Geiss (Hrsg.): Imperialismus im 20. Jahrhundert. München 1976, S. 243 f.
- ↑ Personalnachrichten. In: Salzburger Chronik, 21. Jänner 1935, S. 5 (Online bei ANNO).
Personendaten | |
---|---|
NAME | Streeruwitz, Ernst |
ALTERNATIVNAMEN | Streeruwitz, Ritter Streer von |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Offizier, Industriemanager und Politiker (CSP), Abgeordneter zum Nationalrat |
GEBURTSDATUM | 23. September 1874 |
GEBURTSORT | Mies |
STERBEDATUM | 19. Oktober 1952 |
STERBEORT | Wien |
License Information of Images on page#
Image Description | Credit | Artist | License Name | File |
---|---|---|---|---|
Wappen der Republik Österreich : Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist: Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone …. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“ Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurden die Wappengesetze von 1919 und 1945 außer Kraft gesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 in § 1 in der grafischen Umsetzung der Anlage 1 wurde das Bundeswappen in seiner aktuellen Version eingeführt. | Heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 2 B-VG , in der Fassung BGBl. Nr. 350/1981 , in Verbindung mit dem Bundesgesetz vom 28. März 1984 über das Wappen und andere Hoheitszeichen der Republik Österreich (Wappengesetz) in der Stammfassung BGBl. Nr. 159/1984 , Anlage 1 . | Austrian publicist de:Peter Diem with the webteam from the Austrian BMLV (Bundesministerium für Landesverteidigung / Federal Ministry of National Defense) as of uploader David Liuzzo ; in the last version: Alphathon , 2014-01-23. | Datei:Austria Bundesadler.svg | |
The Wikimedia Commons logo, SVG version. | Original created by Reidab ( PNG version ) SVG version was created by Grunt and cleaned up by 3247 . Re-creation with SVG geometry features by Pumbaa , using a proper partial circle and SVG geometry features. (Former versions used to be slightly warped.) | Reidab , Grunt , 3247 , Pumbaa | Datei:Commons-logo.svg | |
Gedenktafel für Ernst von Streeruwitz (1874–1952), Bundeskanzler im Jahr 1929, an seinem ehemaligen Wohnhaus in Wien- Josefstadt , Skodagasse 15 | Datei:Ernst von Streeruwitz (1874-1952) GT Skodagasse 15.jpg | |||
Ernst von Streeruwitz (1874–1952), Bundeskanzler im Jahr 1929 | Wiener Bilder 5. Mai 1929, S. 4 ( http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrb&datum=19290505&seite=4&zoom=33 ) | Berth. Bing = Berthold Bing (1871–?) Berthold Bing was born in Vienna, 1871-10-25 and worked as a photographer until his emigration to the USA in December 1939. A date of death could not be determined, despite a precise search: 1) http://www.albertina.at/sammlungen/fotosammlung : Photographical collections of the en:Albertina with a database of biographies by photographers: “BIOBIBLIOGRAFIE ZUR FOTOGRAFIE IN ÖSTERREICH“: http://sammlungenonline.albertina.at/?target=biobibliografie ZUR BIOBIBLIOGRAFIE... : By letter M-1071/2003 Wiener Stadt- und Landesarchiv of 28 February 2003, it was announced that no other living data are known. 2) On the page of en: E. Randol Schoenberg , there is no death date for Berthold Bing: http://schoenberg.com/WebTree/ps87/ps87_084.htm (Last modified 27 May 2011) All retrieved 12 June 2017 3) Timm Starl: Lexikon zur Fotografie in Österreich 1839 bis 1945. Albumverlag, Wien 2005, ISBN 3-85164-150-7 , p. 52 | Datei:Ernst von Streeruwitz 1929.jpg | |
Wappen des Joseph von Streer (erhoben in den böhmischen Adelsstand 1743) aus Stříbro in Böhmen, verliehen anlässlich seiner Erhebung in den böhmischen Ritterstand mit dem Prädikat "von Streerowicz" 1748. Zeichnung von Gerd Hruška ( http://ghruska.weebly.com/ ). Für weitere Informationen zu dieser Standeserhebung siehe AustroAristo.com ( http://www.austroaristo.com/ | Eigenes Werk | HruskaHeraldik (Gerd Hruška) | Datei:Ritter Streer von Streeruwitz (1748) – Gerd Hruška.png |