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180 | Cultural Governance in Österreich
Interpretative Analyse der Beziehungen: Zweck dieses Arguments ist es,
indirekt der Kritik der Öffentlichkeit bzw. der Teilöffentlichkeit Kulturbe-
reich/Freie Szene zu begegnen. Im Gegensatz zu anderen, ebenfalls betroffe-
nen Bereichen (etwa Sport) hat es die Kulturszene offenbar geschafft, über ih-
re mediale Kritik politische Aufmerksamkeit zu generieren und Teil der Aus-
einandersetzung zu werden. Ebenfalls indirekt gibt er damit dem Kulturstadt-
rat einen Auftrag, wie dieser zu verfahren habe, um als Zuständiger eine Lö-
sung herbeizuführen. Wiederholt ist der Finanzstadtrat in der Rolle des Erklä-
renden der Situation und suggeriert Souveränität und geplantes Vorgehen. Da-
zu bezieht sich der Finanzstadtrat auf den Kulturentwicklungsplan, der als Ob-
jekt der industriellen Welt konstituiert ist und so eine normative Anweisungs-
Funktion bekommt. Die „Umverteilung im Kulturbudget“ unterstellt alternati-
ve Möglichkeiten des Handelns und nimmt dabei auf eine Forderung der freien
Szene, die durch den Kulturentwicklungsplan über einen Beschluss des Ge-
meinderats normativ legitimiert ist, Bezug. Der Finanzstadtrat positioniert sich
somit auf Seiten der freien Szene, d.h. der Kritikerin. Hier kann politisches
Kalkül vermutet werden, da der verantwortliche Kulturstadtrat von der Kon-
kurrenzpartei ÖVP kommt.
Der Kriterienkatalog richtet sich auf die Kontrolle einer Prüfung mit einer hie-
rarchischen Anordnung (einer „Vergabe“). Dieser Modus der häuslichen Welt
(der dem traditionellen Herrschaftstypus von Max Weber entspricht) wird
durch Objekte der industriellen Welt eingeschränkt (rationale Herrschaft nach
Max Weber). Bemerkenswert ist, dass der Kulturentwicklungsplan von seinem
Bezug zur staatsbürgerlichen Welt (Entstehung aufgrund von öffentlichen
Diskussionen, Abstimmung im Gemeinderat) entkoppelt wird. Die Prüfung
aufgrund des Kriterienkatalogs mag formal richtig sein, aber ist sie auch ge-
recht? Hier taucht das Dilemma zwischen formaler Richtigkeit bzw. Rechtmä-
ßigkeit und Gerechtigkeit auf. Erst der Nachsatz „beschlossen“ stellt diesen
Bezug zur staatsbürgerlichen Welt wieder her. Allerdings ist der „Beschluss“
eine institutionalisierte Entscheidung, die in der Vergangenheit liegt. Der
Prüfmodus ist aus der Welt des Marktes (Geschäft abschließen). Erneute de-
mokratische Aushandlungsprozesse sollen damit (zumindest vorerst) ausge-
schlossen bzw. Kritik soll abgewehrt werden.
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293