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Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse | 211
lienbereich). Die Förderungsvergabe erfolgt in Österreich im Rahmen des privat-
rechtlichen, nicht-hoheitlichen Bereichs:
„Entscheidungen haben nicht den Status eines Bescheids; die Beziehung zwischen Staat
und Antragsteller ist rein privatrechtlich, wenngleich der Staat, auch wenn er sich der In-
strumente des Privatrechts bedient, niemals ein echter Privatier ist“ (Zembylas, 2017c:
S. 8).
Anders als bei Subventionen für stadteigene bzw. anteilig besessene Kulturbe-
triebe gibt es auch keine vertraglichen Regelungen. Bei den Subventionen für
stadteigene Kulturbetriebe ist die Stadt zudem als Eigentümer und Arbeitgeber
von Eigeninteressen geleitet (Tschmuck, 2008). Warum also wird diese Situation
derart mit Bedeutung aufgeladen?
Obwohl eine Kürzung im Bereich der nicht gebundenen Subventionen quasi
eine Formsache ist, wird sie zum diskussionswürdigen Problem. Denn den betei-
ligten PolitikerInnen ist klar, dass Kürzungen bei Vereinen bei der Bevölkerung
unbeliebt sind (im Gegensatz zu anderen geplanten Maßnahmen wie etwa einer
Reduzierung der Beteiligung an Empfängen des Landes Oberösterreich (APA/
Wirtschaftblatt, 2014) oder der Reduzierung der Parteienförderung um ebenfalls
zehn Prozent (Oberösterreichische Nachrichten, 2014). Insbesondere Letztge-
nanntes hat eine legitimierende Funktion gegenüber den Vereinen mit der Inten-
tion, eine Schicksalsgemeinschaft zu schaffen (wir alle müssen sparen). Durch
eine politische Diskussion, die auch in die Öffentlichkeit getragen wird, wird
dem Eindruck vorgebeugt, dass es sich um eine willkürliche Entscheidung han-
delt. Die Diskussion zielt darauf ab, seitens der EntscheiderInnen den Eindruck
der sorgfältigen und sachlichen Abwägung zu erzielen (Zembylas, 2005: S. 20-
24). Allerdings gab es keine Verhandlung der Kürzung im eigentlichen Sinn. Die
Entscheidung wurde hinter verschlossenen Türen seitens des Stadtsenats bereits
vor der Gemeinderatssitzung getroffen. Es wurde niemals ernsthaft die Höhe
oder die Verteilung der Kürzungen debattiert. Die Diskussion hat somit den Cha-
rakter einer öffentlichen Rechtfertigung ohne Einbezug der Betroffenen (Delibe-
ration) oder intensive Beratschlagung im Gemeinderat (von diesem wird ledig-
lich ein Auftrag erbeten).
Für die Betroffenen ist die Entscheidung zwar nicht ganz unmittelbar existenz-
bedrohend, hier kann seitens des Stadtkulturbeirats von einer rhetorischen Dra-
matisierung ausgegangen werden (denn von 1.200–5.000 Euro Kulturförderung
im Jahr kann ohnehin keine Initiative und kein Mensch überleben und diejenigen
mit Förderungen im fünfstelligen Bereich werden die 10%-Reduktion verkraf-
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293