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234 | Cultural Governance in Österreich
produktive kritische Kooperationen und ein Abrücken von einer hoheitlichen Behandlung
als subalterne SubventionsempfängerInnen.“ (Camera Austria u.a., 2013)
Die Forderung nach Möglichkeitsräumen, Austausch, Bildung und produktiver
kritischer Kooperation erinnert an das Konzept des demokratischen Experimen-
talismus von John Dewey (Dewey, 1916, 2012). PolitikerInnen und Verwal-
tungsbeamtInnen können sich auf die Rigidität der Ökonomie berufen, eingefasst
in gesetzliche Formen (wie etwa das verfassungsrechtliche Effizienzgebot
(Schittengruber, 2014: S. 11)), um diese Möglichkeitsräume nicht zu eröffnen.
Kulturbetriebe bzw. Kunst- und Kulturschaffende, die sich um öffentliche Förde-
rung bewerben, müssen sich mit den von Politik und Verwaltung vorgegebenen
Bedingungen (Berichtslegung, sachgemäße Verwendung der öffentlichen Gel-
der) arrangieren.
Vorgelagerte politische Verteilungsentscheidungen und gesetzliche Regelungen
begrenzen die Möglichkeit, die Kulturbudgets umzuverteilen. Der Großteil der
Kulturausgaben wird als gebundene Pflichtausgaben gefasst (Pflicht als hybrides
Arrangement zwischen der industriellen Welt und der staatsbürgerlichen Welt).
Über vertragliche Bindungen wird ein freies Investieren der öffentlichen Hand
auf einem Markt eingeschränkt – im gemeinwirtschaftlichen Interesse bzw. im
wirtschaftlichen Interesse der Gebietskörperschaft. In Graz beziehen die Kultur-
einrichtungen, an denen die Stadt Allein- oder Mitgesellschafter ist, 85 % aller
kommunalen Kulturausgaben (Zembylas, Alton, 2011: S. 5). Die Stadt hat also –
wie andere Gebietskörperschaften – ein Eigeninteresse als Besitzer (Größenver-
hältnis der Welt des Marktes) dieser Einrichtungen. Die Stadt Linz ist ebenfalls
über ihre Unternehmensgruppen 100 % Eigentümerin der größten Kulturbetrie-
be. Auch wenn in kulturpolitische Diskussionen immer wieder von Seiten der
geförderten Kulturschaffenden und einzelner OppositionspolitikerInnen das Ar-
gument eingebracht wird, dass städtische oder stadtnahe Kultureinrichtungen als
Unternehmen der Privatwirtschaftsverwaltung zuzurechnen sind und diese damit
auch kein Recht auf Förderung hätten, ist eine Neutralität nicht gegeben, wenn
die Stadt gleichzeitig Eigentümerin der Einrichtungen ist (Zembylas, Tschmuck,
2005).
Das Verhältnis zwischen PolitikerInnen und öffentlichen Kulturbetrieben kann
man im österreichischen Kontext als Fortsetzung der höfischen Tradition inter-
pretieren (Wimmer, 2011: S. 287). In dieser Beschreibung werden somit die Be-
ziehungen in der häuslichen Welt (Hierarchie, Tradition, Unterordnung) hervor-
gehoben. Die Beziehungen sind jedoch weitaus komplexer. Über Aufsichtsräte
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293