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geöffnet und geschlossen – es handelt sich also bei Kontaktzonen und Konflikt-
zonen (Sternfeld, 2012) um durch die Hausmacht einseitig definierte und gestal-
tete soziale Räume. Die oft verwendete Metapher der Niederschwelligkeit in Zu-
sammenhang mit den von Kulturhäusern erzeugten Grenzen repräsentiert dieses
Prinzip gut.
„Die Welt, die sich aus Banden persönlicher Abhängigkeit (Häuser, Milieus und so wei-
ter) zusammensetzt, wird durch die Opposition von Innen und Außen strukturiert, zwi-
schen denen Übergänge möglich oder unmöglich gemacht werden.“ (Boltanski, Thévenot,
2014: S. 241, kursiv im Original)
Wenn es beispielsweise um Gehälter von Leitungspersonen geht, gibt es hinge-
gen keine öffentliche Aushandlung – und in der Regel auch nicht, wenn es um
die programmatische Ausrichtung der Häuser geht. Die regulative Macht liegt in
den Händen der Aufsichtsräte (der Welt der Regierenden aus Stadt und meist
auch Bundesland, denen das Volk das Vertrauen geschenkt hat). Die Gestal-
tungsmacht liegt in den Händen der DirektorInnen und IntendantInnen, die wie-
derum von den Regierenden bestimmt werden. Die Geschäftsführungen und In-
tendanzen sind regulativ (über Verträge) gebunden, hier droht bei allzu offener
Kritik an den politischen Entscheidungen potentiell eine Entlassung (und es gab
in den Interviews Hinweise darauf, dass dieses Drohpotential auch konkret an-
gewendet wird). Personalentscheidungen, insbesondere die Besetzung von Füh-
rungspositionen sind laut Michael Wimmer „möglicherweise als die eigentli-
chen, wenngleich nicht niedergeschriebenen kulturpolitischen Programme anzu-
sehen“ (Wimmer, 2011: S. 123). Daher sind sie, wie sich etwa im Grazer Streit
um die Nachbesetzung der Leitung des Schauspielhauses nachvollziehen lässt
(ORF Steiermark, 2014), oft Schauplätze von Konflikten. Zugleich ist die Perso-
nalpolitik auch eine der Achillesfersen, über die öffentliche Kulturbetriebe zu
Werkzeugen der Politik werden können. Auswüchse dieser Einflussnahme kön-
nen aktuell etwa in der Türkei unter Recep Erdoğan oder in Ungarn unter Viktor
Orbán beobachtet werden.
Die Ausgliederung der öffentlichen Kulturbetriebe beinhaltet unter anderem
die Absicht, über einen Governance-Kodex politische Einmischung zu verhin-
dern (Bundeskanzleramt Österreich, 2012). Die Entpolitisierung zur Ermögli-
chung einer gemeinwirtschaftlichen Ausrichtung ist allerdings vorwiegend nor-
mativ und bildet sich nicht in den Entscheidungs- und Steuerungsbeziehungen
ab. Hier sind enge Verflechtungen zwischen repräsentativer Demokratie bzw.
Parteipolitik bzw. Machtpolitik (reiner Politik nach Macchiavelli) und Betrieben
eingeschrieben (Tschmuck, 2008). Dagegen sieht die regulative Ordnung als Un-
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293