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256 | Cultural Governance in Österreich
bereiten soll als auch „als Mediator für die Kulturschaffenden und Berater der
Landesregierung“ (Land Steiermark, 2005 § 10) fungieren soll, d.h. einerseits
Vermittler und andererseits Entscheidungsvorbereiter zu sein, läuft Gefahr, zwi-
schen den Interessen von Politik und FörderwerberInnen aufgerieben zu werden.
Zwischen 2012 und 2016 gab es drei Novellierungen des Kunst- und Kultur-
fördergesetzes, wofür es laut IG Kultur Steiermark „zwar eine Einladung zur
schriftlichen Stellungnahme zum Gesetzesentwurf, der viele Kulturschaffende
nachkamen, aber keine Diskussion der eingegangenen Vorschläge mit den Be-
troffenen“ gab (IG Kultur Steiermark, 2016). Diese Situation kann als Schein-
partizipation gedeutet werden – auf eine Einladung zur Teilnahme und einen Ar-
beitsaufwand der Partizipierenden folgte kein deliberativer Prozess, sondern eine
machtpolitische Entscheidung der politischen Gremien. Diese Verweigerung, in
eine direkte Kommunikation mit denjenigen zu treten, die von der Änderung des
Gesetzes betroffen sind, führte zu Frustration bei den Kunst- und Kulturschaf-
fenden, die Vorschläge einbrachten. Die Politikwissenschaftlerin Brigitte Geissel
spricht von der „Responsiveness“, der kommunikativen Reaktionsbereitschaft
der PolitikerInnen gegenüber den von BürgerInnen präferierten politischen In-
halten und Verfahren als Hauptmerkmal der Demokratie und als Indikator von
Demokratiequalität (Geissel, 2016). Wie bereits beschrieben, kann ein von den
Betroffenen als negativ empfundenes Verfahren (Bad Throughput bzw. Bad Go-
vernance) und eine einseitige, repressive Regierungspraxis die öffentliche Wahr-
nehmung der Legitimität (die Anerkennungswürdigkeit (Blatter, 2007: S. 281))
und das Vertrauen in politische Entscheidungsprozesse beschädigen (Schmidt,
2015: S. 92).
In der Steiermark manifestierten sich die Unzufriedenheit mit den Überarbei-
tungen des Gesetzes und die Kritik an einer Reihe von kulturpolitischen Ent-
scheidungen weiter. Die Kritik der IG Kultur Steiermark an der letzten Novelle
2016 richtete sich auf eine „Verengung des einst offenen Kulturgesetzes mit ge-
sellschaftspolitischem Anspruch und eine Reduzierung auf den Kunstbegriff“
(ibd.). Die IG forderte eine schriftliche Begründung bei Ablehnung des Förder-
antrags bzw. bei einer Reduktion der Fördersumme, eine transparente Bestellung
der Beiratsmitglieder sowie eine personelle Trennung zwischen BegutachterIn-
nen und BeraterInnen.
„Im jetzigen System werden beide Funktionen vom Kulturkuratorium wahrgenommen,
was einerseits zu Überforderung der 15 Mitglieder des Kuratoriums führt, und anderseits
zu Befangenheit bei der Beurteilung eigener Ansuchen.“ (IG Kultur Steiermark, 2016)
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Titel
- Cultural Governance in Österreich
- Untertitel
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Autor
- Anke Simone Schad
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 322
- Schlagwörter
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Kategorie
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293