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Vor 1918
Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
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50 Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 setze sollte im Verbund mit dem individuellen wohlverstandenen Ei- gennutz patriotische Empfindungen einflößen. Der einzelne Bürger be- zog sich über den Schutz des Eigentums, die Gleichheit vor dem Gesetz und dem Monarchen sowie über die Pflege der Muttersprache auf sein Vaterland, die Gesamtmonarchie. Diese legalozentrische Definition der Vaterlandsliebe bestimmte bis 1848 den Denkrahmen der aufgeklärten Bürokratie. Sonnenfels war kein selbstgenügsamer Gelehrter, sein Pa- triotismus kein Orchideenthema, vielmehr wollte er den Lebensnerv der gebildeten Öffentlichkeit treffen und auf alle Schichten wirken. Der Sprachpatriotismus, den Sonnenfels anregte, vor allem aber sein Plädo- yer an den müßiggängerischen Adel, den »entbehrlichsten« Stand der bürgerlichen Gesellschaft, sich dem Wohl des Vaterlandes zu weihen, trug reiche Früchte. Der Adel, der in Sonnenfels’ Schule gegangen war, münzte diesen Appell in partikulare Landespatriotismen um, die um 1800 gerade auch aus der Erfahrung mit dem josephinischen Zentralis- mus heraus formuliert wurden: So wurde der Landespatriotismus mit der von seinen Anhängern lancierten Politisierung der Kultur zu einem dritten Weg jenseits der alten Adelsnation und der revolutionären Volkssouveränität; er erlaubte es den Angehörigen der Adelsnation ge- rade zu jener Zeit, als die Grundlage ihrer ständischen Herrlichkeit im Rahmen der alten Verfassung, das souveränitätsbegründende Oberei- gentum auf den Ländern der Grunduntertanen, erodierte, ihr Prestige als patriotische Mäzene neu zu begründen. Der Aufschwung des Landespatriotismus transformierte die ethisch- private Definition der Vaterlandsliebe, an ihre Stelle trat eine territori- alisierte, landesspezifische Semantik. Die Landespatrioten mussten die beschriebene Asymmetrie verarbeiten: Die Mehrsprachigkeit, von der vollmundig die Rede war, blieb immer die der nichtdeutschsprachigen Bürger, wer das Deutsche von Haus aus beherrschte, machte selten Anstalten, die anderen Landessprachen zu erlernen. Der Landespatrio- tismus im Dienst des mehrsprachigen Vaterlands fiel der Entwicklung der Spracherneuerung zum Opfer, die er selbst eingeleitet hatte. Joseph von Hormayrs sprachlich-kulturell gefärbter Nationalismus war als Gegenentwurf zum französischen und josephinischen Ein- heitsstaat konzipiert. Die Vaterlandsliebe Hormayrs erschöpfte sich weder im Rechtsstaat der Josephiner noch im dynastisch-christlich aufgeputzten Paternalismus der Restauration, das geheiligte Band der Sprachnation stiftete hier die ersehnte Einheit. Was Hormayrs Kreis mit den Landespatrioten der Monarchie verband, war die Ablehnung der josephinischen Verschmelzung der Länder zu einem zentral ge- lenkten Konglomerat. Wie die Landespatrioten auch schrieb Hormayrs
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Aufklärung habsburgisch Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Title
Aufklärung habsburgisch
Subtitle
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Author
Franz Leander Fillafer
Publisher
Wallstein Verlag
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
ISBN
978-3-8353-3745-9
Size
14.0 x 22.2 cm
Pages
628
Keywords
Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Einleitung 11
  2. I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
    1. 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
    2. 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
    3. 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
    4. 4. Zwischenresümee 49
    5. 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
    6. 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
    7. Ergebnisse 64
  3. II. Die katholische Aufklärung 67
    1. 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
    2. 2. Die theresianischen Reformen 71
    3. 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
    4. 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
    5. 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
    6. 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
    7. 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
    8. Ergebnisse 122
  4. III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
    1. 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
    2. 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
    3. 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
    4. 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
    5. 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
    6. 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
    7. 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
    8. Ergebnisse 192
  5. IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
    1. 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
    2. 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
    3. 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
    4. 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
    5. 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
    6. 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
    7. Ergebnisse 252
  6. V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
    1. 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
    2. 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
    3. 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
    4. 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
    5. 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
    6. 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
    7. 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
    8. 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
    9. 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
    10. Ergebnisse 331
  7. VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
    1. 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
    2. 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
    3. 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
    4. 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
    5. 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
    6. 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
    7. 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
    8. 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
    9. 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
    10. 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
    11. 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
    12. Ergebnisse 443
  8. VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
    1. 1. Die Josephiner und die Revolution 455
    2. 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
    3. 3. Josephiner versus Romantiker 471
    4. 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
    5. 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
    6. Ergebnisse 492
  9. VIII. Überblick 497
  10. IX. Was war Aufklärung? 513
    1. Das Gesamtbild 525
    2. Anhang 529
    3. Abbildungen 529
    4. Archivalien 530
    5. Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 532
    6. Quellen und Literatur 539
    7. Personen- und Sachregister 620
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