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Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
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60 Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 Fünf Aspekte sind bei diesem Umbruch vom nationalen Weltbür- gertum der Völkerfreundschaft zu gleichartigen, intern umstrittenen und zur Deutung des jeweiligen Nachbarn reziprok eingesetzten Na- tionalcharakteren besonders hervorzuheben: Erstens wurde der ältere Topos vom Weltbürgertum aufgegriffen, aber zu einem exklusiven Vorzug der eigenen Nation umgestaltet. Das Weltbürgertum erscheint hier als Vorsprung, der einen Nachholbedarf aufseiten der Nachbarnationen mit sich brachte.103 Das Freiheitsstre- ben der eigenen Nation schließt demnach die Aufgabe und Verpflich- tung ein, die weniger kulturell avancierten benachbarten Völker zu veredeln, deren engherziger Nationalismus als Symptom der Rück- ständigkeit, ja der verspäteten Nachahmung eines von der eigenen Nation längst überwundenen Standpunktes erscheint.104 103 Es gebe eine Art des Weltbürgertums, welche die Deutschen, »durch die Universalität, die eine Eigenthümlichkeit ihres Geistes und die welthisto- rische Aufgabe ihrer vermittelnden Stellung ist«, auszeichne, Ferdinand Wolf, Ueber die Romanzenpoesie der Spanier, in: JbL 114 (1846), 1-72, 4. So auch Isidor Heller: »Die kosmopolitische Eigenschaft des Deutschen ist bei uns nicht in Selbstvergessenheit ausgeartet, darum amalgamiren wir die Nationalitäten anstatt in ihnen aufzugehen.« Isidor Heller, Sendschreiben eines Österreichers an die deutsche Nation, Leipzig 1852, 7. Feuchtersleben über Gervinus’ Schilderung der Ottonenzeit: »Mit Recht nimmt Gervinus die rührige Epoche der Ottonen in Schutz; mit Recht findet er das Aner- kennen, das Aufnehmen deutscher und gedeihlicher als das Abschließen, das Hypernationalisiren; mit Recht deutet er auf das hehre Alterthum hi- nüber, dessen ewig lebendige Wirkung nur eine trotzige, gotteslästerliche Selbstbeschränkungslust ablehnen wollen kann.« Ernst von Feuchtersleben, [Rez. v.] Gottfried Gervinus, Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen, in: ders., Sämmtliche Werke, mit Ausschluß der rein medi- zinischen, hg. v. Friedrich Hebbel, 7 Bde., Wien 1852-1853, VI, 169. 104 Vgl. Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg, »Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste«. Tagebücher 1839-1858, 3 Bde., Wien; Köln 2011, Bd. II, 2. 6. 1852, 559. Ignaz Kurandas Grenzboten sehen die tschechische nationale Begeisterung als Nachäffen des von den deutschen bereits abgelegten Hyperpatriotismus der Befrei- ungskriege: »In den Flegeljahren des deutschen Nationalbewußtseins in den Jahren 1810-1820 warfen die Söhne Hermann’s und Thusnelda’s den fran- zösischen Frack und die Weste von sich, sie gingen mit offener Brust und wallendem Haupthaar auf den Straßen; sie sangen Lieder von der deutschen Treue und dem wälschen Trug, sie schwärmten gleichzeitig für Wodan und den lieben Gott, sie ließen Staatsgespräche von ihren Lippen schallen und legten sich auf ein Sonderlingsbetragen. Als Deutsch wurde verehrt, was zu verrückt war, um von civlisirten Nazionen getrieben zu werden.« In der Zwischenzeit war die Nation reifer geworden: »Sie flucht nicht mehr auf
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Aufklärung habsburgisch Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Title
Aufklärung habsburgisch
Subtitle
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Author
Franz Leander Fillafer
Publisher
Wallstein Verlag
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
ISBN
978-3-8353-3745-9
Size
14.0 x 22.2 cm
Pages
628
Keywords
Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Einleitung 11
  2. I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
    1. 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
    2. 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
    3. 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
    4. 4. Zwischenresümee 49
    5. 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
    6. 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
    7. Ergebnisse 64
  3. II. Die katholische Aufklärung 67
    1. 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
    2. 2. Die theresianischen Reformen 71
    3. 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
    4. 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
    5. 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
    6. 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
    7. 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
    8. Ergebnisse 122
  4. III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
    1. 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
    2. 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
    3. 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
    4. 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
    5. 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
    6. 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
    7. 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
    8. Ergebnisse 192
  5. IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
    1. 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
    2. 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
    3. 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
    4. 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
    5. 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
    6. 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
    7. Ergebnisse 252
  6. V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
    1. 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
    2. 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
    3. 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
    4. 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
    5. 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
    6. 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
    7. 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
    8. 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
    9. 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
    10. Ergebnisse 331
  7. VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
    1. 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
    2. 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
    3. 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
    4. 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
    5. 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
    6. 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
    7. 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
    8. 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
    9. 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
    10. 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
    11. 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
    12. Ergebnisse 443
  8. VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
    1. 1. Die Josephiner und die Revolution 455
    2. 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
    3. 3. Josephiner versus Romantiker 471
    4. 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
    5. 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
    6. Ergebnisse 492
  9. VIII. Überblick 497
  10. IX. Was war Aufklärung? 513
    1. Das Gesamtbild 525
    2. Anhang 529
    3. Abbildungen 529
    4. Archivalien 530
    5. Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 532
    6. Quellen und Literatur 539
    7. Personen- und Sachregister 620
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