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Vor 1918
Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
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150 Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar »entgeltliche Dienstleistungen« ausgenommen83 – waren die ländlichen Grundherren bemüht, freie Land- und Fabrikarbeiter, Kätner und Ta- gelöhner, über welche die Herrschaft seit den josephinischen Reformen keine Disziplinargewalt mehr besaß, auf den Hausgesindestatus hinun- terzudrücken, um damit ihre Proletarisierung aufzufangen.84 Dieser Prozess wurde von der restaurativen Geistlichkeit kaum reflektiert, geschweige denn zu einer Kritik an Verarmung und Ver- marktungszwang ausgebaut.85 Stattdessen blieb die Zeitdiagnose meist auf der Ebene der Sittlichkeit und der »revolutionären Ideen« stecken: Die besitzlosen Unterschichten zeigten rebellisches Verhalten und einen liederlichen Lebenswandel, vor- und außereheliche Sexualität seien hier verbreitet.86 Die kirchenfernen Glaubensformen, die sich bei dem besitzlosen Landproletariat und beim Gesinde im frühen 19. Jahr- hundert herausbildeten, vermochte der restaurative Klerus nicht unter seine Regie zu bringen, der kirchliche Verfügungsanspruch über die »Volksfrömmigkeit« wurde historisch herbeizitiert, konnte aber nicht mehr eingelöst werden.87 Im Vormärz reklamierte die Kirche offensiv die Aufgabe für sich, Hüterin der sozialen Ordnung zu sein. Konkret implizierte dies, dass sich das Gesellschaftsbild, welches die Kirche vermittelte, mit jenem des Bürgertums verzahnte. Die Ratgeberliteratur der Restaurationszeit formulierte das bürgerliche Familienbild mit und forcierte es gera- dezu, sie legitimierte die hausväterliche Gewalt und die Festlegung 83 Vgl. Kap. VI.1. 84 Reinhart Koselleck, Die Auflösung des Hauses als ständischer Herrschafts- einheit. Anmerkungen zum Rechtswandel von Haus, Familie und Gesinde in Preußen zwischen der Französischen Revolution und 1848, in: ders., Be- griffsgeschichten. Studien zur Semantik und Pragmatik der politischen und sozialen Sprache, Frankfurt  a. M. 2006, 465-485, 478. 85 Vgl. aber die materialreiche, in ihrer Fülle von der Forschung außerhalb Ungarns noch kaum ausgewertete Arbeit von Pál Pándi, »Gespenster« gehen in Ungarn um. Die utopisch-sozialistischen und frühkommunistischen Ideen in Ungarn bis 1848-1849, Budapest 1986, 38-112, 229-297. 86 Rathausky, Über häusliche Religion. Sechster und letzter Brief, 391, will der »tiefgreifenden Verdorbenheit, zumahl der weiblichen Dienstbothen […] durch Preisvertheilung steuern«; Joseph Schmid, Wie könnten einige, un- ter dem Landvolk übliche, den guten Sitten aber überhaupt, und besonders der Jugend nachtheilige Gewohnheiten und Mißbräuche beseitigt werden?, WTZ 9 (1821), 100-123. 87 Fintan M. Phayer, Religion und das gewöhnliche Volk in Bayern in der Zeit von 1750 bis 1850, München 1970; Werner K. Blessing, Staat und Kirche in der Gesellschaft. Institutionelle Autorität und mentaler Wandel in Bayern während des 19.  Jahrhunderts, Göttingen 1982, 34-42, 59-161.
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Aufklärung habsburgisch Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Title
Aufklärung habsburgisch
Subtitle
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Author
Franz Leander Fillafer
Publisher
Wallstein Verlag
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
ISBN
978-3-8353-3745-9
Size
14.0 x 22.2 cm
Pages
628
Keywords
Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Einleitung 11
  2. I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
    1. 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
    2. 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
    3. 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
    4. 4. Zwischenresümee 49
    5. 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
    6. 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
    7. Ergebnisse 64
  3. II. Die katholische Aufklärung 67
    1. 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
    2. 2. Die theresianischen Reformen 71
    3. 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
    4. 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
    5. 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
    6. 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
    7. 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
    8. Ergebnisse 122
  4. III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
    1. 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
    2. 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
    3. 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
    4. 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
    5. 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
    6. 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
    7. 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
    8. Ergebnisse 192
  5. IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
    1. 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
    2. 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
    3. 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
    4. 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
    5. 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
    6. 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
    7. Ergebnisse 252
  6. V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
    1. 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
    2. 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
    3. 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
    4. 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
    5. 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
    6. 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
    7. 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
    8. 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
    9. 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
    10. Ergebnisse 331
  7. VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
    1. 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
    2. 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
    3. 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
    4. 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
    5. 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
    6. 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
    7. 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
    8. 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
    9. 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
    10. 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
    11. 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
    12. Ergebnisse 443
  8. VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
    1. 1. Die Josephiner und die Revolution 455
    2. 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
    3. 3. Josephiner versus Romantiker 471
    4. 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
    5. 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
    6. Ergebnisse 492
  9. VIII. Überblick 497
  10. IX. Was war Aufklärung? 513
    1. Das Gesamtbild 525
    2. Anhang 529
    3. Abbildungen 529
    4. Archivalien 530
    5. Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 532
    6. Quellen und Literatur 539
    7. Personen- und Sachregister 620
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