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Vor 1918
Aufklärung habsburgisch - Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
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169Für Gott und Vaterland schützen. Auf diese Weise wurde die mangelhafte Beherrschung des Deutschen, der »Monarchiesprache«137 bei den unteren Schichten vom Defekt zur Tugend. Die aufgeklärte Religion, die von den liberalen Trägern des natio- nalen Erwachens im Klerus propagiert wurde, stand diesem Modell der Bildungssegregation diametral entgegen, hier galt die Religion nicht als Bildungsersatz, sondern als das wichtigste Vehikel volkssprach- licher Aufklärung, die Impulse von außen aufnahm und übersetzte. Daher konnten die liberalen Geistlichen den Primat des Deutschen, das die höheren Lehranstalten der Erbländer bestimmte, auch nicht gutheißen, im Gegenteil plädierten sie für die Mehrsprachigkeit der fortgeschrittenen Bildung. Der Prager Philosoph, Logiker und Theo- loge Bernard Bolzano138 hat diesen Missstand klar benannt, besonders pointiert in den Erbauungsreden und Exhorten, die er in der Salvator- kirche des Klementinums vor Studenten der Karlsuniversität hielt: Es sei empörend, so Bolzano im Sommer 1816, dass an den Gymnasien und Hochschulen Böhmens in deutscher Sprache unterrichtet werde. So leiste die Regierung dem Bildungsgefälle, der Verschiedenheit der »Grade der Aufklärung« bei den »Volksstämmen unseres Landes« ge- radezu Vorschub.139 Damit werde, so Bolzano, darauf hingearbeitet, dass die Sprachgrenze mit der sozialen Grenze zwischen den Stän- den des Königreichs zusammenfalle, die böhmischsprachigen unteren Schichten würden vorsätzlich unmündig gehalten.140 Während Bolzano also für die Gleichberechtigung beider Landes- sprachen im böhmischen Unterrichtswesen eintrat, werteten restau- rative Kleriker die Bildungsferne der unteren Schichten weiterhin als effektiven Schutz vor »falscher Aufklärung«. Bischof Jakob Peregrin Paulitsch von Gurk betonte in seinem Visitationsbericht über den Un- terkärntner Teil seiner Diözese aus dem Jahr 1827, dass eine gefährliche 137 Vgl. S. 25 oben u. Milan Šmerda, Integrační snahy v habsburské monarchii v době formování novodobých národů [Integrationsversuche in der Habs- burgermonarchie im Zeitalter der Formierung der modernen Nationen], in: SHS 12 (1979), 133-162, 155-156, Fn. 10; Pavel Bělina, Teoretické kořeny a státní praxe osvícenského absolutismu v habsburské monarchii [Theore- tische Strömungen und staatliche Praxis des aufgeklärten Absolutismus in der Habsburgermonarchie], in: ČČH 29 (1981), 879-905, 904. 138 Vgl. Kap. IV.2–IV.3. 139 Bernard Bolzano, Über das Verhältniß der beiden Volksstämme in Böhmen (gehalten am siebenten Sonntage nach Pfingsten im Jahre 1816), in: ders., Erbauungsreden an die akademische Jugend, hg. v. einigen seiner Freunde, Bd. II, Prag 1850, 156-164, 160. 140 Ebda., 163.
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Aufklärung habsburgisch Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Title
Aufklärung habsburgisch
Subtitle
Staatsbildung, Wissenskultur und Geschichtspolitik in Zentraleuropa 1750–1850
Author
Franz Leander Fillafer
Publisher
Wallstein Verlag
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
ISBN
978-3-8353-3745-9
Size
14.0 x 22.2 cm
Pages
628
Keywords
Aufklärung, Österreich, Habsburger, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Revolution, Geschichtsbild, Wissensgeschichte
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Einleitung 11
  2. I. Von der Vaterlandsliebe zum Völkerfrühling, 1770-1848 23
    1. 1. Der Patriotismus des Joseph von Sonnenfels 24
    2. 2. Der Landespatriotismus: Vom mehrsprachigen Vaterland zu den rivalisierenden Vergangenheiten seiner Nationen 30
    3. 3. Revolutionsabwehr, Sprachnationalismus und dynastische Loyalität: Joseph von Hormayr als Historiker 39
    4. 4. Zwischenresümee 49
    5. 5. Das Weltbürgertum der Völkerfreundschaft 51
    6. 6. 1848 und die Krise der liberalen Völkerfreundschaft 57
    7. Ergebnisse 64
  3. II. Die katholische Aufklärung 67
    1. 1. Der Josephinismus als »große Erzählung« der österreichischen Geschichte 67
    2. 2. Die theresianischen Reformen 71
    3. 3. Zwischen Barock und Aufklärung: Gelehrsamkeit, Kunst und Lebenspraxis 76
    4. 4. Die katholischen Reformer und das landesfürstliche Kirchenregiment 83
    5. 5. Barockbewältigung: Scholastiksatire und Patriotismuskonkurrenz im maria-theresianischen Prag 96
    6. 6. Das Methodentableau der katholischen Aufklärung 107
    7. 7. Newtonaneignung im katholischen Milieu: Von der Gotteserkenntnis zur Weltstruktur 110
    8. Ergebnisse 122
  4. III. Die Erfindung der Allianz von Thron und Altar 125
    1. 1. Honigmond. Der antirevolutionäre Schulterschluss von Kirche und Erzhaus in den 1790er Jahren 125
    2. 2. Restaurative Geschichtspolitik und Sozialdiagnose 137
    3. 3. Von der Gemeinschaft der Rechtgläubigen zum überkonfessionellen Rechtsstaat: Kultusrecht und Staatshandeln im Vormärz 152
    4. 4. Die Selbstprovinzialisierung des restaurativen Katholizismus 160
    5. 5. Für Gott und Vaterland: Das Erbe der Aufklärung und die Rolle der Katholiken in der »nationalen Wiedergeburt« 163
    6. 6. Imperiale Integration durch konfessionelle Geopolitik: Von der barocken Rekatholisierung zum Austroslawismu Bartholomäus Kopitars 174
    7. 7. Wissenschaftspolitik und Theologie im Völkerfrühling: Die liberalen Katholiken zwischen Revolution und Konkordat 181
    8. Ergebnisse 192
  5. IV. Wissenskulturen des Vormärz 197
    1. 1. Kant im restaurativen Wissensregime 199
    2. 2. Bernard Bolzano und das Erbe der Leibniz-Wolff’schen Scholastik 209
    3. 3. Bolzanisten versus Herbartianer 219
    4. 4. Welches positive Wissen? Bibelhermeneutik und liberale Physik 223
    5. 5. Positivität und Restauration. Der wissensgeschichtliche und ästhetisch-politische Kontext 240
    6. 6. Eine Art Schadensabwicklung. Die postrevolutionäre Konstruktion der »österreichischen Philosophie« 248
    7. Ergebnisse 252
  6. V. Vom Merkantilregime zum Binnenmarkt: Die Monarchie als Wirtschaftsraum 255
    1. 1. Der Grunduntertan als Staatsbürger und Eigentümer: Die aufgeklärte Agrarpolitik und ihre Folgen 258
    2. 2. Die Patrimonialrechte in der Erwerbsgesellschaft 274
    3. 3. Sonnenfels’ Œuvre 278
    4. 4. Rivalisierende Aufklärungen: Merkantilismus und Vernunftrecht 284
    5. 5. Sonnenfels und die Nachwelt: Der Staat als bürgerlicher Verein 291
    6. 6. Die Liberalkatholiken als politische Ökonomen 303
    7. 7. Zwischenresümee: Aufklärungserbe und ökonomischer Liberalismus 309
    8. 8. Der Gesamtstaat als Wirtschaftsunion 310
    9. 9. Ungarn in der Donaumonarchie: Wirtschafts- und Verfassungspolitik von Joseph II. bis 1848 315
    10. Ergebnisse 331
  7. VI. Naturrechtspraxis und Empire-Genese. Kodifikation, Rechtsstaat, Wissenschaftsgeschichte 335
    1. 1. Sonnenfels versus Zeiller. Der Zielkonflikt zwischen Verfassungs- und Privatrechtskodifikation in den 1790er Jahren 339
    2. 2. Der Kantianismus in der Rechtswissenschaft. Franz von Zeiller und sein Erbe 354
    3. 3. Die Politik des Metapolitischen. Zeillers Gesetzgebungstechnik und das »natürliche Recht« 361
    4. 4. Das natürliche Recht und die Privatisierung der ständischen Herrschaftsteilhabe 373
    5. 5. Die Wissenschaftsgeschichte des Rechts und die Gesamtmonarchie: Ein Zwischenresümee 381
    6. 6. Naturrechtskodifikation und Gesetzesexegese: Die Auslegungspraxis des ABGB 383
    7. 7. Rechtsstaat und Gewaltenteilung im Vormärz 388
    8. 8. Gesellschaftsvertrag und Revolutionsprävention: Das natürliche öffentliche Recht als Basisepistem 401
    9. 9. Ursprung ist das Ziel. Patriotische Rechtshistorie und parlamentarische Repräsentation im Vormärz 407
    10. 10. Vertrag als Fiktion. Die Naturrechtskritik der Junghegelianer 418
    11. 11. Pandektenkur. Der Siegeszug der historisch- römischrechtlichen Schule nach 1848 423
    12. Ergebnisse 443
  8. VII. Aufklärungserbe und Revolutionsabwehr: Selbst- und Feindbilder der Restauration 455
    1. 1. Die Josephiner und die Revolution 455
    2. 2. Carl von Kübecks Lehrjahre. Eine Vignette 467
    3. 3. Josephiner versus Romantiker 471
    4. 4. Der innere Feind. Zur Metaphern- und Sozialgeschichte der Restauration 476
    5. 5. Opferkonkurrenz als Erinnerungskonkurrenz: Die Geschichtspolitik des Jahres 1848 und des Neoabsolutismus 489
    6. Ergebnisse 492
  9. VIII. Überblick 497
  10. IX. Was war Aufklärung? 513
    1. Das Gesamtbild 525
    2. Anhang 529
    3. Abbildungen 529
    4. Archivalien 530
    5. Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 532
    6. Quellen und Literatur 539
    7. Personen- und Sachregister 620
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