Page - 246 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

246 September 1872 5 10 15 20 25 30 35 40 61. WZ 1872, Nr. 212, 15. September Feuilleton. Costümerichtigkeit. Von A. W. Ambros. Ich habe mich neulich im k. k. Hofoperntheater wieder einmal an Mozarts Musik zur „Zauberflöte“ erfreut und an der blendend prächtigen Ausstattung des Meis- terwerkes. Jemand meinte, „es wundere ihn, daß man an eine so einfache Musik so viel Pomp wende“. Ich mußte lächeln, eine Musik, in welcher Mozart die tiefste und feinste Meisterschaft bewiesen, in welcher er an Erfindung und Form eine Mannigfaltigkeit und einen Reichthum entwickelt, den kein alter oder neuer Ton- setzer, heiße er, wie er wolle, überboten, so mit Hillers „Jagd“ oder „Lottchen am Hofe“ ohne weiters in Eine Classe gesetzt zu sehen. Aber prächtig ist die Ausstat- tung in der That und mehr als nur prächtig, denn sie rollt vor uns ein archäologi- sches Bild des uralten Culturlandes am Nil auf, daß wir die großen Bilderwerke von Rosellini u. s. w. lebendig geworden glauben. Man geht ins Theater und weiß allenfalls von Aegypten nicht mehr, als daß dort der ägyptische Joseph gelebt und die Pyramiden stehen, und als ein zweiter Lepsius oder Brugsch kommt man he- raus. Die Costümerichtigkeit ist bis ins kleinste Detail beobachtet, Tamino als „Prinz von Geblüt“ trägt am Kopfschmuck die goldene Uräus-Schlange, Sarastro, der kein Prinz, wohl aber Oberpriester ist, entbehrt diesen Schmuck, dafür aber hat er das priesterliche Leopardenfell umgehängt und kehrt von der Jagd mit je- nem wunderlichen Helm zurück, den auf den Denkmalen die siegreichen Pharao- nen tragen, und da diese großen Helden und Herrscher, sobald sie diesen Haupt- schmuck aufsetzen, insgemein ein ganzes Bündel Feinde beim Schopf zu packen kriegen und mit einem großen Gesammthieb abschlachten, so ist es kein kleiner Beweis der im Texte wiederholt belobten Weisheit, Milde, Mäßigung und Men- schenfreundlichkeit Sarastro’s, wenn er sich begnügt, dem Mohren nur „sieben- undsiebzig Sohlenstreich’“ verabreichen zu lassen. Wir sehen seinem Einzuge die richtige ägyptische Standarte mit dem geschnitzten Isis-Kopf und den herabhän- genden Flatterbändern vorantragen, die Statue der Isis mit ihrem Sohne Horus wird in Procession vorübergetragen, die Harfner (sie sind richtig ganz kahl gescho- ren) greifen in ihre großen, prächtig vergoldeten und bemalten Harfen, ganz wie in den Malereien der Rhamessiden-Gräber bei Theben, die schwarzen Barabra, und Garamanten-Sclaven „aus dem elenden Lande Kusch“ (wie im officiellen Pha- raonenstyl ihre Heimat genannt wird) haben richtig die Kopfbedeckung, welche den Alten als ein halbirtes Straußenei erschien, – es macht einen seltsamen Ein- druck, diese vortausendjährigen Figuren, die wir aus den Malereien der großen Reichstempel in Theben und der Königsgrüfte in Biban el Moluk kennen, nach Papageno’s Glockenspiel mit dem Gesange „das klinget so herrlich, das klinget so schön“ einen (gut erfundenen) affenhaft-possierlichen Tanz hüpfen zu sehen. So- gar das Canapé, auf das sich Pamina niederläßt, hat sein gemaltes Original in der Grabkammer des Ober-Garderobiers weiland Rhamses Miamuns, den die Grie-