Page - 561 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

561 Dezember 1873 60 65 5 10 gläser. Die jetzigen Darsteller wählen die Maske der Jetztzeit gemäß, wobei der Cotelettebart, der Plaid und sogar das rothe Reisebuch nicht fehlt. Sehr ergötzlich waren die Herren Lay und Neumann in der Rolle der beiden Banditen. Die Art, wie sie Fräulein Tagliana’s Spiel und Gesang im letzten Act bei der bekannten, den Wendepunkt der Handlung bildenden Stelle lustig parodirten, rief laute Heiterkeit hervor. Beiläufig fiel uns diesmal auf, daß diese zwei Bursche die richtigen Väter der zwei Banditen Flotows im „Stradella“ sind. Die Chöre und das Orchester waren wie immer ausgezeichnet. Kurz, der Abend war ein glücklicher und konnte uns wieder recht eindringlich lehren, wie werthvoll eine geistvolle komische Oper von echtem Schrot und Korn heißen darf, welche anzuhören Genuß und nicht ermüdende Arbeit ist. Rezensierte Veranstaltung Auber, Fra Diavolo, 14. Dezember 1873, Hofoper Erläuterungen 3 Tagliana] Emilia Tagliana (1854–?), Sopran; Studium in Mailand, Debüt an der Wr. Hofoper 1873, 1874–1875 Engagement ebd., später an der Berliner Hofoper. ◼ 9 nach den wenigen Pro- ben] Das Publikum der Wr. Hofoper konnte sie vorher in Verdis Ein Maskenball und in Meyer- beers Dinorah erleben. ◼ 16 Zerlinen] → Nr. 52/Erl. zur Z. 54. ◼ 16 Dinorah] Figur in Meyerbeers gleichnamiger Oper. ◼ 17 Valentine oder die Ortrud] Figuren in Meyerbeers Les Huguenots und Wagners Lohengrin. ◼ 19–21 Wir behalten uns vor, … zu geben.] Diese Beschreibung blieb aus. ◼ 23 Abgang des Fräuleins Minnie Hauck] Hauk nahm 1873 ein Engagement am Opernhaus von Riga wahr. ◼ 48 „Whims“] engl. „Launen“. ◼ 62 „Stradella“] Alessandro Stradella – Oper von Friedrich von Flotow. 137. WA 1873, Nr. 292, 20. Dezember Feuilleton. Musik. Hellmesbergers drittes Quartett. Concerte. Eine ganze Schiffsladung Musik habe ich diesmal vor dem Leser auszupacken. Zu Anfang der Saison wollte es scheinen, als lasse sie sich gegen voriges Jahr ruhiger an, aber in den letzten Tagen waren richtig wieder alle neun Musen los. Vorerst also Hellmesbergers Quartett – das mit einer höchst bedeutenden Novität von Johannes Brahms begann. Das Programm sprach von A-moll, aber was wir hör- ten, war ein nicht wegzustreitendes C-moll. Dieses neue Quatuor ist ein Werk, über welches sich leichter ganze Seiten als einzelne Sätze schreiben ließen und das für die moderne Gestaltung der Musik, wo sie einen tieferen Zug und Gang hat, sehr charakteristisch ist. Im Vergleiche zu der Götterheiterkeit Haydns und Mozarts (so sehr insbesondere Mozart auch wußte, was Schmerzen sind, ja sein lächelnder Zug oft, näher besehen, ein tiefer Schmerzenszug ist, und umgekehrt)